1 - Schatten im Wasser
auch nur. »Jabisa, hier, drück deinen Handballen fest auf Sicelos Wunde. So fest du kannst«, rief sie der Zulu zu, die schreiend herbeigelaufen war, wirbelte herum und hastete zum Haus, den steinigen Weg entlang, sprang über einen niedri
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gen Busch, schnitt sich die Haut an den Dornen auf, merkte es nicht einmal, sondern rannte, so schnell sie konnte. Nicht um ihr Leben, sie rannte um Johanns Leben. Sie rannte ins Schlafzimmer, fand ihr Gewehr nicht, riss Césars Speer von der Wand und flog zurück in den Garten. Als würde die Natur den Atem anhalten, waren alle Geräusche verstummt, nur das metallische Klirren der Waffen und das Keuchen der beiden Kämpfenden zerriss die Luft. Mit erhobenem Arm lief sie auf die Männer zu, den Speer in ihrer Faust. Seine messerscharfe Spitze blinkte in der Sonne.
Johann musste sie aus den Augenwinkeln gesehen haben, für den Bruchteil einer Sekunde war er abgelenkt, und das nutzte Konstantin von Bernitt. Der Panga sauste herunter, Johanns linker Zeigefinger wurde abgetrennt. Er fiel in den Sand. Johann brüllte und griff nach der verletzten Hand, Blut pulsierte zwischen seinen Fingern hervor. Der Angreifer schlug noch einmal zu. Dieses Mal traf er Johann Steinach am Brustkorb, zwar nur mit der flachen Seite des Hackschwerts, aber die Wucht des Schlages brach diesem mehrere Rippen und stieß ihn über den Rand des Abhangs.
Mit einem Schrei sprang Catherine zu der Stelle, wo er verschwunden war, sah ihn, leblos wie eine Stoffpuppe, den Hang hinunterrollen, sah, wie er gegen einen Felsen schlug, weiterrollte über eine Abbruchkante und verschwand. Sie machte einen Satz, um ihm zu folgen, und hätte durch ihren verlagerten Mittelpunkt das Gleichgewicht verloren, wenn Konstantin von Bernitt sie nicht zurückgezogen hätte.
»Das war's dann wohl. Nun bist du frei«, keuchte er. Schwer atmend stand er da, seine Hand mit dem Panga hing herunter. Auch er blutete aus zahlreichen Wunden, aber er stand noch auf seinen Füßen.
Bei seinen Worten kam eine eiskalte Ruhe über sie. Césars Speer in beiden Fäusten haltend, trat sie dicht an ihn heran, erwiderte sogar sein Lächeln, und dann rammte sie ihm die ziselierte Speerspitze bis zum Ansatz des metallenen Halbmonds in den Bauch, gerade eine Handbreit über dem Nabel. Er schrie
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nicht einmal auf, sondern blickte sie nur erstaunt an und brach zu ihren Füßen zusammen. Mit beiden Händen umklammerte er den Speerschaft, zog und zerrte, aber die Widerhaken saßen tief ihn seinem Fleisch. Sein Atem kam stoßweise, hellrotes Blut sprudelte zwischen seinen Fingern hervor.
Sie sah es, aber es berührte sie nicht. »Jabisa, lauf zu Sihayo, berichte ihm, was passiert ist. Ich brauche Männer, um Jontani zu suchen.« Ihre Stimme war völlig ruhig.
Sicelos kleine Schwester warf einen Blick auf ihren blutüberströmten Bruder und rannte los. Sicelos Wunde blutete nur noch wenig, sein Gesicht war aschgrau, in seinen Mundwinkeln hingen Blutblasen.
»Und hol deine Mutter. Sag ihr, dass Sicelo schwer verletzt ist«, rief ihr Catherine nach, schon im Begriff, den Abhang hinunter zum Fluss zu klettern, als Sicelo sich bewegte.
»Nkosikasi«, wisperte der große Zulu mit fadendünner Stimme, streckte zeitlupenlangsam seine Hand aus und packte ihre. Sie zögerte, warf einen wilden Blick hinunter zum Fluss und versuchte auszumachen, ob Johann in einem Busch hängen geblieben war. Erkennen konnte sie nichts, nur ein Fetzen seines hellen Hemdes hing in den fingerlangen Dornen eines Amatun- gulu. Am Flussufer wuchsen Ilalapalmen, wilde Bananen und allerlei Gestrüpp. Vielleicht hatten die seinen Fall gebremst, und er lag verletzt im Busch. Sie musste da hinunter. So schnell wie möglich.
»Katheni.« Wieder Sicelos Stimme, doch hörbar schwächer als vorher.
Er hielt ihre Hand in einem Klammergriff, aus dem sie sich nur mit Gewalt hätte befreien können. Seine Finger waren eisig und trocken, deutlich spürte sie die Kälte des nahen Todes.
Sie fiel auf die Knie, presste seine Hand, versuchte sie zu wärmen, rief seinen Namen, bettelte ihn an, um Johanns wil en bei ihr zu bleiben, doch sie konnte ihn nicht aufhalten. Al mählich entspannte sich sein Griff, sein Blick kehrte sich nach innen, und sie wusste, dass Mandisa zu spät kommen würde.
»Hamba gahle«, flüsterte sie ihren Abschied. »Mögen dich deine Ahnen achten und erkennen, welch ein großer Mann du ge-756
wesen bist, welch ein Freund.« Sachte legte sie ihm die Hand auf die
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