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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Wolken täuschten ihre Wahrnehmung. Mit brennenden Augen suchte sie die Dunkelheit zu durchbohren, lauschte angestrengt auf jedes Geräusch, doch nur der eintönige Gesang der Zikaden setzte die Luft in Schwingungen. Als würde ihr eigenes Leben zu Ende gehen, liefen ihre Gedanken zurück, durchlebte sie ihre Zeit mit Johann noch einmal, und nun sah sie klar vor sich, was sie verloren hatte.
    Ihren Anker im Strom ihres Lebens, seine Wärme, die Dunkelheit in Licht verwandelte, seine Liebe, die das Bollwerk gegen alles Böse war. Seine Leidenschaft, die ihre Sinne zum Singen brachte. Sie vergrub ihren Kopf in den Händen, fragte sich, warum sie erst jetzt begriff, dass sie ihn liebte.
    Im Morgengrauen machte sie sich auf. Sie stieg den Abhang hinunter zum Fluss, langsam, da das Kind in ihrem Bauch sie schwerfällig machte, und suchte nach Spuren von ihm. Sie suchte für Stunden, stapfte durch den weichen Ufersand, hangelte sich unter Bäumen entlang, spähte in die Schatten unter Felsvorsprüngen, doch vergebens. An der Stelle, wo der große Regen ein tiefes Loch im Fluss ausgewaschen hatte, lebte seither eine Flusspferdfamilie. Angstvoll ließ sie ihren Blick über die Gegend streifen, fand aber weder Spuren von Johann noch die eines Kampfes und atmete auf. Doch als sie entfernt die Stromschnellen rauschen hörte, wusste sie, dass ihre Suche zu Ende war. Auch wenn er den Flusspferden entkommen war, mit dem Blutverlust aus seinen Verletzungen hätte seine Kraft nicht gereicht, sich gegen die reißende Strömung zu wehren. Er war ertrunken oder auf den Felsen zerschmettert, seine Leiche fortgespült. Es gab keine andere Möglichkeit.
    Mit hängenden Schultern stand sie an dem dahineilenden Gewässer, starrte blind ins lehmige Wasser. Nur einmal hob sie den 759
    Kopf. Auf der anderen Uferseite lag das große Krokodil mit weit geöffnetem Rachen, ein Schwärm Madenhacker fiel ein und machte sich daran, die zwei Zoll langen Zähne zu reinigen. Sie schaute wieder beiseite, stand nur da, ausgeweint und leer. Lähmende Kälte füllte ihr Inneres, tötete jede Regung. Ihr war nicht klar, dass ihr Körper einen Überlebenskampf führte, alle überflüssigen Emotionen ausgeschaltet hatte, sich nur auf die lebenserhaltenden Funktionen konzentrierte. Irgendwann bewegte sich ihr Kind in ihrem Bauch. Sie zuckte zusammen, raffte sich auf und stieg den Abhang wieder hinauf, ging zurück in ihr Haus.
    Sobald die Kunde von Johanns Verschwinden König Mpande erreichte, schickte er Sipho mit seinen fähigsten Fährtenlesen, aber auch die fanden keine Spur von Johann und zogen unverrichteter Dinge wieder ab.
    Catherine blieb allein zurück.
    Das Erste, was ihr auffiel, war die ungewohnte Stil e. Zwar zwitscherte Viktoria, Jabisa klapperte mit den Töpfen, und Sihayo hackte Holz im Garten, aber es fehlte etwas, was sie nicht in Worte fassen konnte.
    Natürlich fehlte das vertraute Hintergrundgeräusch, das ihren Tag begleitet hatte, wenn Johann daheim war. Aber auch wenn er den Hof wieder verlassen hatte, war ein Hauch von Wärme geblieben, das Flüstern seiner Bewegungen. Nun war da nur kühle Leere, tote Stil e.
    Mechanisch erledigte sie ihre täglichen Arbeiten, ritt, um ihr ungeborenes Kind nicht zu gefährden, im Schritttempo hinaus zu den Rindern und sah nach dem Rechten. Dann besuchte sie die Arbeiter auf dem Feld, erstaunt, dass sie arbeiteten, ohne dass Johann hinter ihnen stand.
    »Jontani ist bei uns«, sagte der Vorarbeiter, ein älterer Mann mit weißem Kraushaar, und meinte damit, dass Johann nun zu ihren Ahnen gehörte und sie durch ihr Leben begleiten würde, ständig um sie war, ihnen zuhörte, wenn sie ihm ihre Probleme darlegten. Eine höhere Ehre hätten sie ihm nicht erweisen können.
    Catherine dankte ihnen und fühlte einen ziehenden Schmerz, fast etwas wie Neid. Sie wünschte, es wäre ihr möglich, die Welt auch so zu sehen.
    Sie lenkte Caligula zurück zum Hof. Schon
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    von weitem hörte sie Hundegebell, dachte für eine Sekunde, es wäre Onetoe-Jack mit seiner Meute, aber das konnte ja nicht sein. Doch es waren Jacks Hunde, die ihr entgegenrannten, und hinter ihnen tauchte der Schlangenfänger auf. Er half ihr aus dem Sattel und nahm sie in die Arme.
    Nur im Unterbewusstsein registrierte sie, dass er frisch und nach Seife roch. Lange hielt er sie so, ohne etwas zu sagen. Als er es dann tat, war seine Stimme tränenerstickt.
    »Es tut mir Leid, es tut mir so Leid.« Wieder brauchte er eine Pause, um sich zu

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