10 - Das Kloster Der Toten Seelen
glaubst du, daß Idwal unschuldig ist«, warf Rhonwen scharfsinnig ein. »Kein Richter würde seine Zeit mit so etwas verschwenden, wenn er nicht vermutete, daß die Dinge anders liegen, als es scheint.«
»Wie gut kennt ihr Idwal?«
»Wie Goff schon sagte, wir sind eine kleine Gemeinde«, erwiderte Rhonwen.
»Was hältst du von ihm?«
»Was ich von ihm halte?« fragte Rhonwen erstaunt.
»Traust du ihm einen Mord zu?«
»Wem ist ein Mord zuzutrauen und wem nicht unter den entsprechenden Bedingungen?« entgegnete Goff. »Uns allen ist ein Mord zuzutrauen, meine ich.«
»Ich glaube, Schwester Fidelma möchte wissen, wie ihr Idwal einschätzt. Ist er ein liebenswerter Junge? Würde er jemanden ohne Grund töten?«
Goff rieb sich die Nase. »Er ist ein Idiot.«
Rhonwen stieß einen mißbilligenden Laut aus und schüttelte den Kopf. Fidelma wandte sich an sie.
»Du siehst das wohl anders?«
»Er ist kein Schwachkopf. Er ist einfach langsam. Fast wie ein Kind. Er hatte keine schöne Kindheit, nachdem Iolo, der Schäfer, gestorben war. Iolo hat den Jungen schon als Säugling zu sich genommen. Idwal war noch sehr klein, als ihn Iestyn, Iolos Bruder, nicht mehr haben wollte. Später mußte sich Idwal als umherziehender Hirte selbst ernähren.«
»Ich streite ja gar nicht ab, daß der Junge ein gutmütiger Kerl ist«, gab Goff zu. »Das kann man nicht leugnen. Immer, wenn eines seiner Lämmer stirbt, weint er bitterlich. Doch wer weiß, was ihn zu dieser Tat getrieben hat? Wir alle tragen den Instinkt zum Töten in uns, wenn es die Umstände von uns verlangen. Der Junge war immer sehr verschlossen. Er behielt seine Gedanken für sich. Wer weiß schon, welcher Zorn in seinem Inneren gewütet haben mag?«
»Also glaubst du auch an seine Schuld?« fragte Eadulf.
»Ich vertraue den Äußerungen von Männern, deren Meinung ich schätze.«
»Und wessen Meinung schätzt du? Wer hat dir gesagt, daß Idwal schuldig ist?« fragte Fidelma leicht aufgebracht.
»Nun, Iestyn aus Llanwnda natürlich.«
Rhonwens Miene drückte Abscheu aus.
»Du hältst wohl nicht viel von Iestyn, oder?« erkundigte sich Fidelma.
»Wenn ich nur daran denke, daß er Idwal einfach davonjagte … Und nun besitzt er die Unverfrorenheit, ihn des Mordes zu bezichtigen.«
Goff versuchte sich zu rechtfertigen. »Iestyn ist ein guter Freund von mir. Vielleicht tat er recht daran, den Jungen nicht selbst großzuziehen. Vielleicht hat er die Sache kommen sehen.«
»Ich weiß, daß sich hier alles schnell herumspricht. Aber wann hast du mit Iestyn geredet?« wollte Fidelma wissen.
»Gestern. Er kam mit einem Karren vorbei, der repariert werden mußte.«
»Ich dachte, er sei mit Iorwerth befreundet. Der hätte doch viel schneller helfen können.«
»Mein Mann will sagen«, erklärte Rhonwen, »daß Iestyn eine Wagenladung voller Felle an einen Händler übergeben wollte, als ihm sein Wagen kaputtging. Es war einfacher, ihn hier reparieren zu lassen, als den Karren den ganzen Weg nach Llanwnda zurückzuziehen.«
»Ich verstehe. Iestyn hat euch von dem Mord erzählt und gesagt, daß Idwal der Täter sei.«
»Ja«, antwortete Goff und erhob sich. »Ich muß jetzt in meine Schmiede zurück.«
Fidelma stand auf, Eadulf folgte ihr zögernd.
»Und wir müssen unsere Reise fortsetzen. Doch ich will euch zuvor noch eine einzige Frage stellen.«
Goff machte eine Handbewegung, die darauf schließen ließ, daß er so lange noch Zeit hätte.
»Du sagst, daß die Ortschaften hier in engem Kontakt miteinander stehen, ihr eine kleine Gemeinde seid und jeder den anderen kennt?«
Rhonwen fing an, den Tisch abzuräumen. Sie lächelte. »Wollt ihr etwas über jemanden wissen?«
»Ja, allerdings. Was könnt ihr mir über einen Mann sagen, der sich Clydog Cacynen nennt, oder über einen anderen, der Corryn heißt?«
Der Becher, den Rhonwen gerade in Händen hielt, fiel zu Boden und zerbrach in viele Scherben. Ein Rest von dem Met spritzte über die Holzdielen. Rhonwen entschuldigte sich nervös und sammelte die Scherben auf.
»Wo ist euch der Name Clydog begegnet?« fragte Goff.
»In diesem Gebiet soll sich ein Geächteter aufhalten; man hat uns vor ihm gewarnt«, log Fidelma unbefangen. »Ich möchte einfach nur wissen, um wen es sich handelt.«
»Wenn du etwas über Clydog wissen willst, mußt du Pater Clidro fragen. Er hat einmal den Versuch unternommen, mit ihm einen Frieden auszuhandeln.«
»Aber Pater Clidro …«, hub Eadulf an.
»Pater Clidro, wie
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