10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
mehr um Bea. Wenn er an sie dachte, empfand er ein Gefühl leichter Übelkeit. Vielleicht deshalb, weil er vom passiven zum aktiven Menschen geworden war. Er wollte und brauchte keine Frau mehr, die über ihn dominierte. Er konnte seine Entscheidungen selbst treffen. Wenn er die Wahl hatte, so würde er eine nehmen, die mehr wie Josephine war …
Josephine. Er sah ihr Bild vor sich, und plötzlich erschien es ihm sehr begehrenswert. Josephine – ihre sanfte, ruhige Schönheit, die Bewunderung, die sie Sam Clay, dem erfolgreichen Geschäftsmann, entgegenbrachte, dem jungen aufstrebenden Importeur der Vanderman GmbH. Josephine, die er heiraten würde – natürlich würde er sie heiraten! Er liebte Josephine. Er liebte seine Arbeit.
Alles, was er brauchte, war der bereits erreichte Status quo. Alles war wunderbar in Ordnung – bis vor dreißig Sekunden.
Aber das war lange her – ganze dreißig Sekunden. In einer halben Minute kann eine Menge geschehen. Und es war auch eine Menge geschehen. Vanderman ging von neuem auf ihn los, mit erhobener Peitsche. Clays Nerven zitterten vor einem zweiten glühenden Schlag quer über sein Gesicht. Wenn er Vandermans Handgelenk packen könnte, bevor dieser wieder zuschlug, wenn er schnell genug reden könnte …
Das verzerrte Grinsen lag noch immer auf seinem Gesicht. Irgendwie gehörte es zu der ganzen Angelegenheit. Dessen war er sich dunkel bewußt. Er handelte nur noch nach eingelernten Reflexen, die er seinem Körper in monatelanger Selbstzucht beigebracht hatte. Sein Körper handelte bereits. Was in seinem Geist vorgegangen war, hatte sich so schnell abgespielt, daß physisch gesehen überhaupt keine Pause eintrat.
Sein Körper kannte seine Aufgabe und erfüllte sie präzis.
Er warf sich quer über den Schreibtisch, packte das Messer, und Clay konnte ihm nicht Einhalt gebieten.
All das hatte sich schon einmal zugetragen: in seinem Geist, dem einzigen Ort, wo Sam Clay während der vergangenen anderthalb Jahre so etwas wie Freiheit empfunden hatte. Während dieser Zeit hatte er sich zur Vorstellung gezwungen, daß das Auge jede seiner äußerlichen Handlungen überprüfte.
Er hatte jeden Schritt im voraus geplant und sich auf die präzise Durchführung trainiert. Kaum einmal hatte er impulsiv gehandelt. Die Sicherheit lag einzig und allein in der genauen Abwicklung seines Vorhabens. Er hatte sich selbst in seine eigene Doktrin zu sehr hineingelebt.
Irgend etwas war nicht in Ordnung. Das war es nicht, was er gewollt hatte. Er hatte noch immer Angst, er war schwach, er versagte …
Er prallte gegen den Tisch, krallte seine Hand um den Brieföffner – sein Versagen war ihm klar – und stieß ihn Vanderman ins Herz.
*
»Es ist ein vertrackter Fall«, sagte der Kriminalsoziologe zum Techniker.
»Sehr vertrackt!«
»Soll ich es noch einmal ablaufen lassen?«
»Nein, jetzt nicht. Ich möchte es mir durch den Kopf gehen lassen. Clay … Eine andere Firma hat ihm einen Job angeboten. Das wurde rückgängig gemacht, oder? Ja, ich kann mich erinnern – sie sind heikel wegen der Moral ihrer Angestellten. Motiv … Was für ein Motiv hat er?« Der Soziologe sah den Techniker fragend an.
Der Techniker meinte: »Anderthalb Jahre vorher hatte er ein Motiv. Vor einer Woche jedoch hatte er alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Er hat seine Stellung verloren und seine Beteiligung. Mrs. Vanderman interessiert ihn nicht mehr, und was die Schlägerei mit Vanderman anbelangt … Hm?«
»Nun, er versuchte einmal, Vanderman zu erschießen, und er brachte es nicht fertig, erinnern Sie sich? Obwohl er sich Mut angetrunken hatte. Aber – irgend etwas stimmt da nicht. Clay
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