10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
befaßten sich seine Gedanken mit etwas Ähnlichem wie heute. Aber noch nie waren seine Überlegungen derart intensiv gewesen.
Kyans schwarzer Umhang flatterte wie ein Vogel im Wind. Sein Gesicht war geradeaus gerichtet, sein Blick ruhte in der Ferne – auf einem fiktiven Punkt. An seiner rechten Schläfe pulste eine Ader. Seine Hände hielten den Gehstock mit dem Elfenbeingriff. Beide Hände. Und sie hielten ihn verkrampft. Kyan war sich seiner starren Haltung nicht be wußt.
Er spürte nicht einmal den Regen, der nun einsetzte. Für ihn gab es im Moment nur die Welt seiner Gedanken.
Dunkle Gedanken waren es, und zugleich auch verzweifelte.
Es mußte eine Lösung geben. Es mußte doch ein Weg zu finden sein, die Melodie von sich zu bannen. Sicher, diesen gab es; einen sehr einfachen Weg sogar.
Aber dann müßte Kyan auf alles verzichten, was ihm das Leben lebenswert machte: Er dürfte nicht mehr an Mord denken!
Kyan war jedoch nach wie vor davon überzeugt, daß auch noch eine andere Möglichkeit bestand, die Melodie aus seinem Geist zu zwingen. Gewiß eine schwer zu findende, aber Kyan war es gewohnt, sich nichts allzu leicht zu machen. Er wußte, was er tat, und setzte alles durch, was er sich einmal vornahm.
Und nun war die Zeit reif – der hundertprozentige Mord wartete nur darauf, begangen zu werden. Er würde alles daransetzen, keine Mühe scheuen; dies war er schon allein seinem Großvater schuldig.
Der gute alte Playk.
Er stemmte sich gegen den Wind.
Er mußte die Melodie verjagen!
Seine Hände umkrampften den Stock fester.
Nein, er würde sich nicht unterkriegen lassen! Er nicht! Nicht von der Melodie! Er liebte Musik, das wollte er ein für allemal klarstellen. Die Melodie war ihm willkommen. Sehr. Sie sollte nur weiterklingen, sie störte ihn nicht.
Absolut nicht.
Dies warf er dem Wind entgegen, höhnisch fast.
Als er jedoch in sein Arbeitszimmer kam und sich über seinen Plan beugte, dachte er anders. Bei jeder neuen Notiz, die er machte, bei jedem neuen Wort, das er schrieb, bei jeder neuen Idee, die ihm kam, schmeichelte sich die Melodie verstärkt in seinen Gedankengang.
Dann warf er seinen Schreiber irgendwohin und stieß die Fäuste gegen das harte Holz. Und die Bediensteten entfernten sich schweigend aus seiner Nähe, als könnten sie seine Gedanken erraten. Er tat ihnen leid; ihre Mienen waren besorgt und voller Mitgefühl.
Eines Tages, dachten sie, würden einmal ernste Männer kommen und ihren Herrn in ein weißes, sauberes, helles Haus bringen …
Nur Kyan selbst dachte anders. Für ihn gab es keinen Rückzug. Er war noch immer fest davon überzeugt, die Melodie loswerden zu können.
*
Bald hatte Kyan seine anfängliche Verzweiflung überwunden. Er wußte, er würde nur durch kalte Überlegung zum Ziel kommen. Und darum dachte er nach. Bis spät in die Nacht hinein saß er vor seinem Schreibtisch, eine kleine Fotografie seines Großvaters zur Rechten, und nahm ein Aufputschmittel nach dem anderen, um nicht vor Müdigkeit umzukippen. Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, und seine Wangen waren eingefallen und blaß vor Überanstrengung.
Aber Kassian Kyan konnte nicht aufhören: er hatte sich ein Ziel gesteckt, und mochte sein Körper darunter leiden.
Immer wieder stürzte er sich von neuem auf seinen Plan, allein mit seinem nüchternen Verstand arbeitend; aber unbarmherzig stellte sich die Melodie ein, ohne an Hartnäckigkeit auch nur das geringste einzubüßen. Und dann wand er sich und versuchte, sie abzuschütteln.
Aber die Melodie verschwand erst dann, wenn er nicht mehr an sie dachte – und damit auch nicht an Mord.
Irgendwie kam es ihm dann plötzlich in den Sinn, daß er das Problem eigentlich von
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