1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
noch alles in dieser Beziehung erleben würde. Von hier aus waren es ja immerhin noch fast vierhundert Kilometer. Monica hatte mir die abenteuerlichsten Dinge in diesem Zusammenhang erzählt.
Am späteren Nachmittag kam ich von der Hitze ziemlich geschlaucht in Reliegos an. Hier gab es nur eine Herberge und ich hoffte auf einen freien Platz für mich.
Während ich die Herberge betrat, kam mir aus einem Nachbarraum eine junge Frau mit einem herzöffnendem Lächeln entgegen und begrüßte mich. Ihr Name war Sabine, sie kam aus Reutlingen und meinte, ich könnte mir oben ein freies Bett aussuchen. Die Besitzer der Herberge würden erst am Abend vorbeischauen. Ich war noch ganz angetan von diesem lieben Lächeln und merkte wahrscheinlich deshalb nicht, dass ich hier in einer sehr bescheidenen Herberge gelandet war.
Ich beschlagnahmte mir eines der Stockbetten und suchte als erstes die Duschen auf. Ich stand in einem dunklen, feuchten Raum vor drei Holzklapptüren. Wenn man sich hier duschte, konnte man von draußen die Füße, und bei großen Menschen auch den Kopf sehen. Das heißt, wenn man sich duschen konnte. Denn die eine der Türen war nur angelehnt, die zweite war sehr wacklig angebracht, und so schlich ich in die Dritte.
Das erste Mal auf meiner ganzen Reise durfte ich die Vorzüge einer kalten Dusche genießen, während ich gleichzeitig versuchte, die schäbigen Innenwände nicht zu berühren. Die Toilette sah genauso aus. Laut meinem Reiseführer hatte diese Herberge zweieinhalb Muscheln, was ihr eigentlich eine recht gute Qualität bescheinigen sollte, aber hier irrte er das erste Mal.
Bei der Anmeldung etwas später blickte ich das erste Mal in mürrische, unfreundliche Augen eines Herbergsvaters. Beim Essen im einzigen Restaurant im Ort setzte sich die Unfreundlichkeit und schlechte Qualität fort. Da war es auch kein besonderer Trost, dass in der Herberge eine Gruppe junger, hübscher Schwedinnen und eine Brasilianerin auftauchten.
Direkt im Bett mir gegenüber lag eine ältere Dame aus Skandinavien, die, als es Zeit zum Schlafen war, damit nervte, dass sie minutenlang etwas in ihr Handy tippte. Dann drehte sie sich um und fing sofort an zu schnarchen, als gäbe es kein Morgen.
Tag 22
Reliegos / León
In der Nacht hatte ich zweimal das Bett gewechselt, aber keine ordentliche Matratze gefunden. In dieser Herberge waren sie derart durchgelegen, das an einen erholsamen Schlaf nicht zu denken war. So machte ich mich schon um kurz nach sechs mit leichten Rückenbeschwerden auf in die bescheidenen Sanitärräume.
Auf eine kalte Dusche zu dieser Zeit verzichtete ich zugunsten einer kurzen Katzenwäsche. So stand ich am Waschbecken und schrubbte meine Zähne, als die Brasilianerin herein kam. Sie ignorierte mich vollkommen, denn zum einen grüßte sie nicht und zum anderen zog sie sich neben mir nackt aus und verschwand in der Dusche. Wenn es schlecht läuft, irgendeinen Lichtblick gibt es immer.
Wieder einmal startete ich im Dunkeln. Mir kam es so vor, als ob hier jeder in seinem Vorgarten seinen Hahn hatte, denn an jedem Haus, an dem ich vorbei schlich krähte mich einer von der Seite an.
Nach der Meinung meines Reiseführers lagen die „letzten Kilometer in langweiliger Landschaftstristes ohne überragende Naturerlebnisse“ vor mir.
Tag 23
León / Virgen del Camino / Villar de Mazarife
Das Ankommen gestern in León war, ähnlich wie in Burgos landschaftlich eher bescheiden. Entlang der großen Einfallstraßen fühlt man sich als Pilger einfach nicht wohl und irgendwie fehl am Platz. Aber der Jakobsweg führte und führt eben durch diese Hauptstädte hindurch.
Die Herberge, in der ich untergekommen war, wurde von Benediktinerinnen geführt. Ein großer Innenhof lud zum geselligen Verweilen. Gepflegte Dusch- und Schlafräume, sowie eine angenehme herzliche Stimmung waren das krasse Gegenteil zu meiner gestrigen Bleibe. Hier fühlte ich mich sehr wohl.
Am Abend schlenderte ich nach dem Essen durch die Altstadt auf den Hauptplatz zur Catedral de León, die ich auch von innen besichtigte.
Diese Kathedrale war allerdings eine große Enttäuschung für mich. Natürlich ist sie ein imposanter Bau. Aber in meinen Augen auch nicht mehr. Ich muss hier wieder die Kathedrale von Burgos erwähnen und gegen die ist León vernachlässigbar. Wesentlich kleiner, nicht so aufwendig innen gestaltet und — das ist der größte Unterschied — sie ist dunkel.
Vor der Türe traf ich auf
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