1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
unruhig werden.
„Ich habe in einigen Herbergen sehr schlecht geschlafen und darum auch schon im Hostal übernachtet. Außerdem muss ich zugeben, dass es mir oft schwer fällt, freiwillig in den Herbergen zu schlafen und auf den Luxus zu verzichten, den mein Mann und ich zu Hause haben.“
Als sie das sagte, hätte ich sie knutschen können. Dieses Thema war mir schon lange auf der Seele gelegen und hatte mir das eine oder andere Mal ein schlechtes Gewissen beschert. Manchmal habe ich mir in einer Herberge gedacht, warum ich mir das antue. Die meiste Zeit war ich mit Pilgern unterwegs, die wenig Geld dabei hatten und sich schon deshalb kein Zimmer im Hostal nehmen konnten. Dann gab es die Fraktion, die es strikt ablehnte, auf ihrer Pilgerreise irgendwelchen Luxus zu konsumieren.
Ich war es, wie Bruni, von zu Hause aus gewohnt, einen gewissen Luxus zu genießen und hätte mir jede Nacht ein Einzelzimmer leisten können.
„Ich finde, diejenigen, die es sich leisten könnten, haben es noch ein wenig schwerer die Herbergen zu besuchen“, durfte ich endlich einmal sagen, „ aber wenn ich bedenke, was ich da alles versäumt hätte — ich bin froh, dass ich es bisher gemacht habe.“
„Und“, erwiderte Bruni, „man lernt ein eigenes, kleines Zimmerchen mit eigenem Bad wieder richtig zu schätzen.“ Wir kamen am frühen Nachmittag in einem kleinen Dorf an, das nur eine kleine Pilgerherberge hatte. Bruni wollte hier nach einem Bett fragen.
„Unser Gespräch hat mich meine Blessuren vergessen lassen. Du hast mich tatsächlich heute fast zwanzig Kilometer mitgezogen. Aber hier ist für mich für heute Schluss.“
Eine wenig traurig muss ich wohl dreingeschaut haben und ich überlegte mir ernsthaft wegen ihr auch hier zu übernachten. Da dürfte sicherlich noch einiges sehr Interessantes zu besprechen sein. Und als die vier Münchnerinnen wieder alle vereint und guter Laune um die Ecke bogen, um auch hier einzuchecken, wäre das ein Grund mehr gewesen. Aber ich hatte wieder dieses bestimmte Gefühl in mir, auf dem Weg zu bleiben.
Wir verabschiedeten uns und als wir uns umarmten, sagte sie :
„Wir sehen uns wieder.“
Über sehr steinigen Boden und leichte Anhöhen führte mich der Weg weiter Richtung Astorga, meinem heutigen Etappenziel. Die ganze Strecke über dachte ich über die Gespräche mit Bruni nach. Sie hatte mich nachhaltig beeindruckt und ich war mir sicher, dass ich sie in ihrer Praxis besuchen, und ihre Fähigkeiten einmal erleben wollte. Mir fiel nur kein Problem ein, das es zu bearbeiten gegeben hätte.
Ich fühlte mich sehr gut. Ich war so froh, Bruni kennen gelernt zu haben und mir wurde bewusst, wie gut es mir in meinem Leben ging.
Astorga lag auf einer kleinen Anhöhe. Hinauf in die Altstadt, wo sich die Kathedrale und die Herbergen befanden, ging es auf den letzten Metern der heutigen Etappe noch einmal recht steil bergauf. Das war für mich immer eine Strafe, zumal die Temperaturen wieder um die dreißig Grad pendelten. Und dazu kam, dass meine Füße ab einer Tagesstrecke von fünfundzwanzig Kilometern immer anfingen richtig weh zu tun — bis auf die Zehenspitzen meines rechten Fußes, die spürte ich nach wie vor nicht mehr.
Nach mittlerweile über sechshundert Kilometern war das die einzige Blessur, die ich vorzuweisen hatte und die tat nicht mal weh. Damit wurde ich bei den Diskussionen und Vorführungen der Verletzungen in den Herbergen immer nur müde belächelt.
Zu Zeiten der Römer war Astorga ein Militärstützpunkt gewesen, der sich ab dem ersten Jahrhundert zu einem wohlhabenden Handelszentrum wandelte. Seit dem elften Jahrhundert ist die Stadt eine wichtige Station auf dem Pilgerweg. Herausragend ist, wie so oft in den spanischen Städten, die „Catedral de Santa María“.
Von außen sehr schön anzusehen und — überraschend -die verschiedenen Farben der beiden Haupttürme. Warum das so ist, konnte mir nicht einmal mein Reiseführer sagen.
Diesmal hatte ich meine Ankunft in meinem Zielort anders gestaltet. Bisher war ich immer angekommen und hatte mich schnellstens um den Schlafplatz gekümmert. Beim Suchen nach der Herberge war ich so immer in einer gewissen Eile gewesen. Mir war aufgefallen, dass mir so beim Ankommen, speziell in den schöneren Orten etwas entgangen war. So hatte ich mich diesmal beim Erreichen des Hauptplatzes auf eine Bank gesetzt und beobachtete das bunte Treiben.
Neben der Kathedrale befindet sich in einem burgähnlichen Gebäude mit
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