1005 - Im Bann des alten Königs
wußte ich, daß es nicht so einfach werden würde. Nichts ging hier ohne Sicherheit. Es kam noch etwas hinzu. Dieses Gebiet war von einer Mördertruppe besucht worden. Von Menschen, die rücksichtslos töteten, und ich wußte nicht, zu welcher Gruppe sie gehörten. Die Killer wie in der Kathedrale waren es meiner Ansicht nach nicht. Sie hätten geschossen und nicht mit irgendwelchen archaischen Waffen zugeschlagen.
»Du hast die Mörder nicht vergessen, John?«
»Wie könnte ich? Deshalb habe ich auch Angst um dich. Das sind Leute, die keine Gnade kennen. Sie sind eiskalt. Sie morden rücksichtslos. Es ist wohl besser, wenn ich allein zur Lade gehe. Ohne dich. Bleib du im Hintergrund.«
»Nein, John. Wir bleiben zusammen. Wenn es dann soweit ist, lasse ich dich in Ruhe. Aber einer sollte schon auf den anderen achtgeben. Nur so kann es laufen. Wir stehen vor einer tiefgreifenden Entscheidung.«
»Und müssen damit rechnen, daß sich die Mörder noch hier in der Gegend herumtreiben. Ich glaube sogar, einen Schatten am Fenster gesehen zu haben.«
Mikail nahm die Nachricht emotionslos auf. »Ja, das ist wohl möglich«, sagte er. »Sie bereiten alles vor. Es geht nichts, ohne bestimmte Regeln einzuhalten.«
Das hatte sich angehört, als wüßte er mehr. »Kannst du mir noch etwas sagen?« fragte ich deshalb.
»Nein, John Sinclair, das kann ich nicht. Das Schicksal hat seinen Bogen geschlagen. Wir sind in diesen Kreis hineingeraten, und werden ihn so schnell nicht wieder verlassen können. Bestimmte Stellen sind jetzt besetzt. Es mußte alles so kommen.«
»Beziehst du mich damit hinein?«
»Du bist so etwas wie der lebende Schlüssel. Wenn es überhaupt jemandem gelingt, an die Lade heranzukommen, dann bist du es, John. Das wissen wohl auch andere.«
»Und du kannst mir nicht sagen, wer diese anderen sind? Oder möchtest du darüber nicht sprechen?«
»Es ist besser, wenn du gewisse Dinge selbst erlebst. Hagir ist tot. Er wird uns nichts mehr sagen können, aber er hat seine Mörder gesehen und weiß, daß sie es nicht einfach haben. Es kann sein, daß sie dich benutzen oder mich. Ich weiß es nicht. Wenn du von Verstecken sprichst, dann gebe ich dir recht. Sie halten sich bestimmt hier verborgen, aber ich weiß, daß sie die Kapelle noch nicht betreten haben. Sie wollen zwar, aber es fehlt ihnen der Mut.«
Ich hatte mich über Mikails Worte gewundert und schüttelte leicht den Kopf. »Du bist wirklich informiert«, gab ich zu. »Das hätte ich nicht gedacht.«
Er winkte ab. »Ja, das mag alles sein. Ich hatte Zeit genug, mich vorzubereiten. Ich habe Augen und Ohren offengehalten, gesehen, gehört, registriert und weiß jetzt, daß in diesem Jahr alles zusammenkommen wird. Es sind die Nachfolger, die Anhänger Lalibelas. Ihnen gehört die Lade. Der Meinung jedenfalls sind sie und…«
»Aber ich habe sie erlebt!« unterbrach ich den Wächter. »Sie sahen in der Kathedrale wirklich nicht aus wie Lalibelas Anhänger. Es waren Killer, die Angares töteten. Das mußt du dir auch einmal vor Augen halten.«
»In einem fremden Land sind auch sie fremd, John.«
»Bitte genauer.«
»Sie werden Menschen gekauft haben, die in ihrem Sinne handeln. So sieht die Lösung aus. Es gibt nur wenige unter ihnen, die sich im Ausland bewegen. Dort setzen sie zumeist Frauen ein, die Lalibelas Willen durchsetzen wollen.«
»Frauen, die morden?«
»Nein, nein, so sehen sie das nicht. Sie handeln nur in seinem Sinne. Das schließt auch den Mord mit ein.«
»Ah, jetzt verstehe ich.« Meine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. Die Aussichten waren nicht besonders, aber so etwas war ich gewohnt. Ich merkte, wie es in mir kribbelte, und ich richtete meinen Blick auf Mikails Gesicht. Er hielt sich mit einer Antwort zurück. Kein Wort drang aus seinem Mund. Er sah aus wie ein Mensch, der stark nachdachte und sich dabei auf etwas Bestimmtes vorbereitete.
Ich drehte den Kopf, damit ich gegen das Fenster schauen konnte.
Draußen war es noch dunkler geworden. Die Sonne ging allmählich im Westen unter. So hatten die Schatten länger werden können und sich in die schmale Gasse vorgetastet.
»Dann laß uns gehen, mein Freund.«
Mikail hatte sich schon in Bewegung gesetzt. Ich dachte daran, wie oft ich diesen Satz schon gehört hatte, aber ich wollte ihn auf keinen Fall vorgehen lassen. An der Schulter hielt ich ihn zurück. »Den Anfang mache ich.«
»Ja, gut.«
Bevor ich die Hütte verließ, zog ich das Schwert aus dem
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