1013 - Der Blut-Abt
schaurige Szenen ab. Da brachte der Wind die Wolkenberge zusammen, riß sie im nächsten Moment wieder auseinander, um neue Szenen schaffen zu können.
Marek deutete zum Himmel. »Es riecht nach Schnee«, bemerkte er.
»Das kenne ich aus meiner Heimat.«
»Ja, Schnee«, murmelte ich. »Fast ein perfektes Leichentuch für St. Patrick…«
***
Titus hockte hinter einer Hecke. Sie zählte zu den Gewächsen, die auch im Winter ziemlich dicht waren, obwohl sie ihr Blattwerk verloren hatten. Zudem wuchs sie an einer Stelle, die einem Beobachter einen guten Überblick gestattete, und nichts anderes hatte der Neu-Vampir gewollt. Er konnte den Innenhof des Klosters gut unter Kontrolle halten und auch die Kirche sehen.
Es war alles sehr gut gelaufen. Er hatte sich mit seinem Schicksal abfinden müssen und auch das Beste daraus gemacht, denn der Wolf stand auf seiner Seite. Er gehorchte ihm, er tat, was der Blutsauger wollte, und so hatte Titus ihn geschickt und war selbst zurückgeblieben. Das Tier sollte ihm die Schwierigkeiten aus dem Weg räumen und die anderen ablenken.
Titus hatte sich zusammenreißen müssen. Es war ihm schwergefallen. Er gehorchte jetzt anderen Gesetzen, uralten Regeln, die aus der Finsternis stammten. So war die Gier in ihm gewachsen. Sie war kaum auszuhalten gewesen. Er spürte genau die Nähe der Menschen. Nicht an sie heranzukommen, machte ihn fast wahnsinnig und schien ihn um den Verstand zu bringen.
Aber Titus war auch vorsichtig. Das mußte er einfach sein, denn er befand sich auf feindlichem Gelände. Das Kloster stellte eine Gegenkraft dar, es war ein Machtfaktor der Menschen, die nicht auf seiner Seite standen. Kreuze, Weihwassersegnungen, das alles konnte er nicht mehr vertragen und war leicht tödlich für ihn. Deshalb hatte er den Wolf vorgeschickt. Er sollte das Chaos bringen. Dem Tier machte es nichts aus, in die Kirche zu laufen. Ein Vampir allerdings wäre dabei vergangen, und dieses Risiko wollte Titus nicht eingehen.
Er hatte den Wolf in der Kapelle verschwinden sehen. Es war eine gute Zeit, denn um diese Zeit wechselte Bruder Anselm zumeist die Kerzen aus. Das Tier würde auf den Menschen treffen, und das Tier würde den Menschen angreifen.
So sah es der Plan des Blutsaugers vor.
Titus lächelte kantig, als er das Heulen hörte. Ein schreckliches Geräusch, für ihn allerdings etwas Wunderbares, denn genauso hatte er sich seinen Plan vorgestellt. Auf die Kirche nahm der Wolf keine Rücksicht, auch nicht auf einen Menschen.
Das Geräusch mußte gehört worden sein, denn die Mönche im Kloster waren nicht taub.
Aber es würde sich kaum jemand in die Kirche hineintrauen, bis auf einige Ausnahmen vielleicht.
Es dachte an den Pfähler, auch an Bruder Basil, aber beide Menschen schwammen mehr in seiner Erinnerung, als wären ihre Existenzen von einem Schatten verdeckt. Für den Neu-Vampir waren sie bereits Vergangenheit geworden.
Seine Rechnung ging auf.
Zwei Fremde verließen das Kloster. Ein Weißer und ein Asiate, wie der heimliche Beobachter mit sicherem Blick erkannte. Er war überrascht worden, und er duckte sich noch tiefer, denn von diesen beiden ihm unbekannten Männern ging etwas aus, das ihm überhaupt nicht gefiel. Eine gefährliche Aura, die den Vampir schaudern ließ. Er zuckte mit den schmutzigen Händen, als wäre er dabei, eine Kehle zu umfassen. Haß und Furcht zugleich strahlten in ihm hoch.
Mit Spannung verfolgte er den Weg der Männer, die zielsicher auf die Kirche zuliefen.
Und Basil und Marek?
Sie verließen das Kloster ebenfalls, nur kamen sie später, eilten den beiden anderen allerdings mit langen Schritten nach, ohne sie jedoch einholen zu können.
Für die Umgebung des Klosterbaus hatten die vier Personen keinen Blick gehabt. Niemand von ihnen wäre überhaupt auf die Idee gekommen, daß ein Feind in der Nähe lauerte, und das wiederum freute den Wiedergänger. Er wollte die Gunst der Minute nutzen und heimlich in das Kloster eindringen.
Es war gefährlich. Es hingen überall die verfluchten Kreuze. Es roch an manchen Stellen nach Weihwasser, und überhaupt durchschwebte die Räume und Gänge ein Geist, der Titus nicht gefallen konnte.
Seine Gier war stärker. Solange kein Mönch die Mauern verließ und über den Hof ging, war er eben gezwungen, ihnen nachzulaufen. Das zog er durch.
Er rannte nicht mal. Mit zügigen Schritten überquerte er den Innenhof. Auf seinem Gesicht lag ein starrer Ausdruck, und er bemühte sich, so zu wirken wie
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