1013 - Der Blut-Abt
bevorstand.
Wieder spürte er, wie ihn das Kloster regelrecht anwiderte. Diese Mauern waren nicht gut für ihn. In ihnen steckte etwas, das ihm einen Teil seiner neuen Kraft raubte. Er wußte genau, daß er es hier nicht lange aushalten konnte.
Das Krankenzimmer lag etwas versteckt. Die Tür dazu bildete die Rückseite einer Nische. Er sah die matt schimmernde Klinke und zögerte auch nicht länger.
Behutsam öffnete er die Tür.
Schon beim ersten Blick zeigte sein Gesicht eine gewisse Überraschung. Er hatte damit gerechnet, mehrere Personen vorzufinden, das war nicht der Fall.
Von den drei Betten war nur eines belegt. Darin lag der verletzte Bruder.
Er blutete aus zahlreichen Bißwunden. Er wimmerte vor sich hin, was der Untote überhörte, denn für ihn war einzig und allein das Blut wichtig.
Dieser Geruch brachte ihn fast um den Verstand. Er konnte eine Gestalt wie Titus wahnsinnig machen. Für ihn war das Blut der Motor in ein neues Leben, zu einer großen Stärke, aber er war nicht nur darauf getrimmt, seine Zähne in den Hals des Verletzten zu schlagen. Neben der Tür blieb er stehen und streckte eine Hand vor, als wollte er so einen unsichtbaren Gegner abwehren.
Es war kein Feind da. Die Bewegung galt mehr dem an der Wand hängenden Holzkreuz, das seinen Platz zwischen den drei Betten gefunden hatte und wie ein mächtiger Beschützer wirkte, auf den die Menschen hoffen konnten.
Früher hatte Titus auch gehofft. Heute aber war das Kreuz zu seinem Feind geworden.
Er spürte den Widerwillen, den Ekel. Er keuchte. Es kostete ihn einen großen Kampf, den ersten Schritt nach vorn und somit auf die Betten zuzugehen. In seinem Kopf rauchte es plötzlich. Die Kraft des Kreuzes nahm er wie Schläge aus dem Unsichtbaren hin, aber er ließ einfach nicht locker.
Schwankend näherte er sich dem Bett. Noch war er geschwächt.
Wenn er mal das Blut des Verletzten getrunken hatte, würde ihn auch das Kreuz nicht mehr so stark stören.
Wie von allein war sein Mund aufgeklappt. Die schmutzige Gestalt in der ebenfalls schmutzigen Kutte kämpfte sich Schritt für Schritt auf das belegte Bett zu. Er schaffte es. Es war schwer, aber er würde sich durchringen.
Der verletzte Bruder merkte nichts von der sich nähernden Gefahr.
Er war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Mit den Schmerzen, die sich auf den gesamten Körper ausgebreitet hatten.
Immer wieder hatte der Wolf zugebissen.
Er wartete auf Linderung, denn Bruder Basil hatte ihm versprochen, daß man sich um ihn kümmern würde. Aber der andere Bruder mußte noch geholt werden.
Das alles war dem Blutsauger nicht bekannt. Für ihn zählte einzig und allein der Weg zum Bett, wo das Opfer lag, über das er herfallen würde. Der frische Blutgeruch machte ihn fast wahnsinnig. Er selbst gab schreckliche Geräusche ab. Aus seinem Mund drangen die widerlichen Laute, die in kein Schema paßten.
Titus war froh, sich am Fußende des Betts abstützen zu können, denn nicht nur die Gier war in ihm hochgestiegen, auch eine gewisse Schwäche, so daß er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Er klammerte sich am Bett fest. Die Nähe des Kreuzes bereitete ihm große Problem. Er traute sich nicht mehr, in die Höhe zu schauen. Nur keinen Blick auf das Kreuz werfen, sonst steigerte sich seine verdammte Schwäche noch.
Er schwankte trotz des Haltes, hielt aber noch fest und drehte sich am Fußteil des Betts herum, weil er die Breitseite erreichen wollte.
Gebückt blieb er stehen. Das Wimmern des Verletzten störte ihn nicht, Titus glotzte aus seinen Totenaugen einzig und allein auf den Körper mit seinen Wunden – und mit dem Blut!
Es hatte die Kleidung genäßt. Es bildete rötlichbraune Flecken, deren Geruch den Vampir wild machte. Er dachte jetzt nicht mehr daran, sich auf die Kehle des Mannes zu stürzen, für ihn war der erste Kontakt mit dem menschlichen Lebenssaft viel wichtiger.
Und so ließ er sich nach vorn fallen.
Er stützte sich kaum noch ab, für ihn war wichtig, daß er die ersten Tropfen ablecken konnte. Noch während er fiel, hatte er die Zunge aus seinem Mund gestoßen. Sie fuhr über den Blutfleck hinweg, und zum erstenmal schmeckte er die wundersame Süße dieses roten Safts.
Der Vampir röchelte auf. Er kniete jetzt vor dem Bett. Seine Zunge bewegte sich noch immer hektisch über die feuchten Flecken hinweg, die sich in seiner Nähe befanden. Es war für ihn alles so wunderbar, ein völlig neues Gefühl, das er kaum beschreiben
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