1019 - Das Vampirfenster
Restauratorin.«
»Sehr interessant.«
»Irgendwie schon. Aber ich habe mich auf ein Spezialgebiet beschränkt. Ich restauriere Kirchenfenster oder alte Fenster allgemein. Glas und auch Malerei sind meine Gebiete, in denen ich mich richtig auslassen kann. Das macht Spaß.«
»Glaube ich Ihnen.«
Sie tippte mich mit dem ausgestreckten Zeigefinger an. »Jetzt müssen Sie mir aber sagen, was Sie beruflich machen.«
Lachend winkte ich ab. »Meine Arbeit ist längst nicht so interessant wie Ihre.«
Sie glaubte mir nicht. »Hören Sie auf, John, das sagen Sie nur so.«
»Nein, überhaupt nicht. Ich arbeite für den Staat. Ich bin so etwas wie ein Diener – Beamter.«
Gilian Kyle tat, als wollte sie sich vor mir zurückziehen. »Nein, das kann ich nicht glauben.«
»Warum nicht?«
»Sehen so Beamte aus?«
»Manchmal schon.«
»Dann hatte ich bisher ein falsches Bild von ihnen.«
»Das will ich nicht sagen. Es gibt schließlich solche und auch solche, wenn Sie verstehen.«
»Klar, nicht alle sind schlecht.« Sie lachte auf und schlug schnell gegen ihren Mund. Dann wechselte sie das Thema und erkundigte sich nach meiner Verletzung.
Ich drehte ihr mein Handgelenk hin. »Da, schauen Sie. Es blutet so gut wie nicht mehr.«
»Stimmt. Sind nur ein paar Flecken im Taschentuch zu sehen. Eigentlich bin ich Ihnen ja etwas schuldig. Ich habe Sie verletzt, das möchte ich gern wieder gutmachen.«
»Wenn Sie meinen.«
»Wir nehmen einen kleinen Drink, wenn Sie Zeit haben. Es kann aber auch ein großer sein.«
»Die Zeit hätte ich schon.«
»Wunderbar. Und wo?«
»Im nächsten Pub.«
»Einverstanden.«
Die Zeit war während unseres Gesprächs schnell vergangen. Beide hatten wir nicht viel in unseren Einkaufswagen. Wir brachten die Tüten anschließend zu den Autos. Gilian Kyle fuhr einen Fiat Punto, der nicht weit von meinem Rover entfernt parkte. Sie hatte ihre Waren schon vor mir eingeladen. »So, jetzt habe ich richtig Durst bekommen.«
»Ich nicht minder.«
»Und wo gehen wir hin?«
»Nur ein paar Schritte. Ein Bier kann ich mir erlauben.«
»Ja, und ich ebenfalls.«
Den Pub kannte ich. Dort hatte ich schon mit meinen Freunden hin und wieder ein Glas geleert. Ich zählte zwar nicht zu den Stammkunden, wurde aber freundlich begrüßt. Auch Gilian schenkte der Wirt ein breites Lächeln, als wir uns an die Theke setzten.
»Was trinken Sie, Gilian?«
»Ein Bier.«
»Gut.« Ich bestellte zwei, was ihr nicht recht war, denn sie wollte zahlen.
»Warum denn?«
»Schließlich habe ich Sie durch meine Dummheit verletzt.«
Das Lachen unterdrückte ich nicht. »Verletzt ist etwas anderes. Freuen wir uns auf das Bier.«
Es wurde serviert, und wir stießen mit den Gläsern an. Das Bier war herrlich frisch. Es rann zischend in unsere Kehlen. Beide waren wir über den kühlen Trunk begeistert.
»Trinken Sie es gerne, John?«
»In der Tat.«
»Aber Sie haben kein Bier gekauft.«
»Es war nicht nötig. Ich hatte noch einige Dosen im Haus. Man soll ja nicht übertreiben.«
»Da haben Sie recht.«
Es war gemütlich an der Theke, und so verplauderten wir die nächste Stunde. Allerdings blieb es bei einem Bier. Als die Gläser leer waren, trennten wir uns.
Draußen schaute Gilian noch nach meiner Verletzung. Das Taschentuch hatte ich abgewickelt. Es war ein feiner Schnitt zu sehen, der rötlichbraun schimmerte. Nicht mehr.
»Sie sehen, Gilian, das ist kein Problem.«
»Tatsächlich.«
Zum Abschied küßte sie mich auf beide Wangen. »War nett, daß ich Sie getroffen habe, John. Zufälle gibt es immer wieder. Kann sein, daß wir uns mal wieder begegnen. Allerdings muß ich in den nächsten Tagen eine Arbeit außerhalb der Stadt annehmen.«
»Wo denn?«
»Zwischen London und Dover.«
»Ah ja.«
»Machen Sie es gut.« Sie ging mit schnellen Schritten in Richtung Parkplatz. Ich blieb noch stehen und runzelte die Stirn. Ihr Weglaufen kam mir wie eine Flucht vor, als wollte sie mich nicht mehr sehen. So arg war es bestimmt nicht. An der Theke jedenfalls hatten wir uns prächtig verstanden.
Auch mich trieb es wieder zum Rover. Ich würde die Lebensmittel noch einräumen müssen, dann wollte ich mich vor die Glotze hocken – mußte auch mal sein – und ansonsten früh ins Bett gehen.
Die Wunde würde schnell verheilen. Ich spürte sie schon jetzt so gut wie nicht mehr. Es hätte auch schlimmer kommen können, wenn die scharfe Kante eine Ader erwischt hätte.
So aber war nicht viel passiert…
***
»War das
Weitere Kostenlose Bücher