1027 - Der Traum vom Schwarzen Tod
Das war nicht so leicht zu verkraften gewesen. Selbst ein Erwachsener hätte darunter zu leiden gehabt, denn diese neue Welt war einfach zu irreal.
Johnny hätte gern gewußt, welcher Traum seinen Freund quälte.
Er traute sich nicht, ihn zu wecken, aus Angst davor, etwas falsch machen zu können.
Aber er beobachtete ihn. Selbst im Dunkel entdeckte Johnny die Qual auf dem Gesicht seines Freundes. Simon mußte unter dem Traum wahnsinnig leiden. Aus einem Mund drang auch kein normales Atmen mehr. Es glich einem Keuchen, verbunden mit stöhnenden Lauten, die tief in der Kehle des Jungen geboren waren. So machte sich die Angst bemerkbar, und auch Johnny bekam einen Schauer. Sein Gesicht wurde immer angespannter. Er wartete darauf, daß Simon erwachte, denn die Unruhe bei ihm nahm zu. Er warf sich einige Male von einer Seite auf die andere, sprach auch im Schlaf, wobei sich einige Wörter mehrmals wiederholten. Carella und der Schwarze Tod… Immer wenn er den Schwarzen Tod erwähnte, zuckte Johnny zusammen. Dann schlug sein Herz jedesmal schneller. Er dachte an diese unheimliche Gestalt mit ihrer scharfen Sense. Sollte er wirklich wieder existieren, hinterließ er eine Spur aus Blut und Tod.
Johnny hielt die Lampe in der Hand. Seine Hand war schweißnaß geworden, und er hatte Mühe, den Griff zu halten. Bisher hatte er sie nicht wieder eingeschaltet, weil er Roger nicht erschrecken wollte. Den Plan ließ Johnny fallen. Er wollte mehr sehen, aber er dämpfte den Schein schon ab, in dem er eine Hand vor die Lampe legte.
So traf er reduziert das Gesicht des neben ihm liegenden Freundes, und Johnny sah, daß es glänzte wie von einer Speckschwarte eingerieben. Der Mund stand nicht nur offen, er bewegte sich auch, so daß Zischlaute über die Lippen drangen.
Johnny faßte Simon an der Schulter an.
Der merkte nichts. »He, Simon…« Keine Reaktion.
Johnny überlegte, ob er ihn wirklich wecken sollte. Eine Entscheidung brauchte er nicht zu treffen, denn plötzlich war sein Freund wach.
Ein schwacher Schrei fuhr über seine Lippen. Dann öffnete er die Augen und richtete sich blitzartig auf.
Sofort zog Johnny die Lampe zurück. Er wollte Simon nicht durch das helle Licht blenden.
Simon schüttelte den Kopf. Er senkte ihn. Die Augen hielt er jetzt offen, schaute aber nicht zur Seite. Dafür stierte er vor sich hin auf seinen Schoß.
»He, Simon, was hast du?«
Der Angesprochene schüttelte den Kopf. Er wollte nicht angeredet werden.
»Sag doch was!«
Simon saugte tief die Luft ein. Es war mit einem tiefen Stöhnlaut verbunden. Johnny bekam mit, wie stark sein Freund unter den Nachwirkungen des Alptraums litt, aber er wollte sich nicht weiter ansprechen lassen oder gab keine Reaktion von sich, auch als Johnny es versuchte.
Das änderte sich, denn Johnny faßte Simon jetzt an. Er drückte seine Hand auf dessen Schulter, hielt ihn für einen Moment noch fest und zog ihn dann herum.
Simon folgte dieser Bewegung sehr willig. Johnny hatte dabei keine Schwierigkeiten. Er schien sogar froh zu sein, endlich jemand anschauen zu können.
Beide blickten sich an.
Johnnys Augen zuckten, während die seines Freundes unbeweglich blieben. Sie hätten sich bewegen müssen, wie das Gesicht, aber das passierte nicht.
Sie starrten nur.
Sie waren dunkel, sehr dunkel – ungewöhnlich dunkel und anders als sonst.
Das stellte Johnny selbst im Dunkel des Zeltes fest. Als hätten die Pupillen sich nicht gegen eine fremde Kraft wehren können, die jetzt in ihm steckte.
Augen? fragte sich Johnny. Waren das noch Augen oder bereits Anzeichen einer Verwandlung?
Er wollte es genau wissen und nahm auch keine Rücksicht mehr, Simon zu blenden. Diese Augen konnten nicht mehr geblendet werden. Sie wirkten blind und noch mehr…
Der Strahl erwischte das Gesicht über der Nase und damit auch die Augenpartie.
Jetzt sah Johnny sie genauer!
Sein Herz schien sich drehen zu wollen, zu verkrampfen. Der Schock hatte ihn starr werden lassen.
Nein, das waren keine Augen mehr. Das waren tiefe, schwarze Inseln aus Öl. Es gab keine Pupillen, es gab nichts, was hinter ihnen und um sie herum lag, es gab einfach nur diese Augen, die nicht mehr die eines Menschen waren.
In ihnen lag eine Schwärze, die kaum beschrieben werden konnte.
Die Dunkelheit des Alls oder einer anderen, gefährlichen und auch tödlichen Dimension.
In diesem Moment wußte Johnny Conolly, daß Simon Rogers nicht gelogen hatte und tatsächlich in die Fänge des Pete Carella
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