1038 - Der Seelen-Kerker
wurde aus ihm nur ein sehr schwacher Ruf nach Hilfe, den niemand hörte.
Das Monstrum kam.
Capus floh. Die Tür war sein Ziel. Er erreichte sie auch. Nur nicht normal, denn der heftige Stoß in den Rücken schleuderte ihn nach vorn, und so krachte er gegen die Wohnungstür. Er spürte den Schmerz an der Stirn. Plötzlich funkelten Sterne vor seinen Augen auf, und er taumelte zurück.
Plötzlich war die Klaue da. Alexandre spürte sie in seinem Nacken. Kalte Finger drückten zu wie in Eis gelegte Metallstäbe.
Diese Hand war so breit, daß die Finger beinahe seine Kehle erreichten, als wollten sie ihm dort die Luft nehmen.
Plötzlich schwangen auch seine Füße über dem Boden. Dieses Monstrum hatte ihn mit einer spielerisch anmutenden Bewegung einfach in die Höhe gerissen. Er ließ ihn auch nicht los und hielt ihn weiterhin im Nacken gepackt.
Capus war so entsetzt, daß er nicht einmal Schmerzen spürte. Alles andere überwog bei ihm. Man ließ ihm nicht die Spur einer Chance, sein mächtiger Gegner trug ihn weiter, und er drehte ihn auch dabei mit einer lockeren Bewegung, bevor er ihn einfach zur Seite schleuderte wie ein lästiges Insekt.
Capus flog durch die Luft. Er fürchtete sich davor, auf dem Boden zerschmettert zu werden. Die Unterlage, die ihn auffing, war weich, denn der Eindringling hatte ihn auf das eigene Bett gewuchtet, wo er einige Male hin und herwippte, bevor er zur Ruhe kam.
Er lag auf dem Bauch, denn der andere hatte ihn beim Wegwerfen kurzerhand gedreht. Obwohl ihn die Klaue nicht mehr im Nacken festhielt, spürte Capus die Nachwirkungen des Griffs. Dort brannte noch immer die Haut. Schmerzen peinigten ihn, und seine Sicht war einfach nicht mehr klar.
Er dachte nicht an Aufgabe. Er wollte es weiter versuchen. Möglicherweise auch nur schreien, denn mit seinen körperlichen Kräften kam er gegen die des anderen nicht an.
Den Mund hatte er bereits weit aufgerissen, als die Pranke wie ein böser Schatten vor seinem Gesicht erschien und sich hart auf seinen Mund preßte.
Die normale Welt um ihn herum verschwand. Alles veränderte sich. Das alte und harte Fleisch der Kreatur fand als Teil seines Handballens seinen Weg durch die offenen Lippen und stieß die Zunge des Mannes tiefer in den Hals.
Alexandre glaubte, ersticken zu müssen. Der andere hatte ihn so gedreht, daß er halb auf der linken Seite und auch halb auf dem Rücken lag. So konnte er aus einem bestimmten Winkel in die Höhe schauen und dieses Untier sehen. Er bekam nicht genau mit, ob es nun neben dem Bett kniete oder auf der Kante hockte. Jedenfalls war es da und starrte ihn aus seinen kalten, gnadenlosen Fisch- oder Totenaugen an.
Die Pranke blieb auf seinem Mund. Jede Sekunde wurde für Capus zu einer Folter. Er kam nicht mehr zurecht. Die Angst und die Atemnot machten ihn verrückt. Er wünschte sich, in eine tiefe Ohnmacht zu fallen, aber er blieb leider wach, und wegen seiner weit geöffneten Augen konnte er genau sehen, was passierte.
Die Ausgeburt der Hölle beugte sich zu ihm herab. Und sie besaß zwei Hände wie ein Mensch. Mit der freien Hand griff sie ebenfalls zu. Sie erwischte dabei das linke Handgelenk des Mannes, preßte es zusammen und drehte den Arm dann herum.
Es war eine ruckartige und wuchtige Bewegung, der Capus nichts entgegensetzen konnte. Er landete auf dem Bauch. Kurz zuvor hatte er sogar noch abgehoben, und die andere Klaue, die sich von seinem Mund entfernt hatte, fand jetzt ihren Platz auf seinem Hinterkopf.
Es reichte ein leichter Druck aus, um sein Gesicht in das Kopfkissen zu pressen. Capus glaubte, Federn und Stoff tief in den Mund gepreßt zu bekommen. Er bekam keine Luft und konnte auch nicht durch die Nase atmen.
Aber er hörte.
Es waren ihm unbekannte Laute, die da seine Ohren umwehten.
Die Ausgeburt der Hölle hatte sie ausgestoßen, und für sie mußte es so etwas wie ein Triumph sein. Es hörte sich an wie ein Krächzen und tiefes Röhren zugleich. Satter Triumph, den Verhaßten endlich gefunden zu haben. Möglicherweise sprach die Kreatur auf diese Art und Weise auch das Todesurteil für den Menschen.
Alexandre Capus wurde die Luft knapp. Weder durch den Mund noch durch die Nase konnte er Atem holen. Bei ihm war einfach alles anders geworden. Vor seinen Augen bewegten sich dunkle Flecken, durch die rote Streifen zuckten. Die Atemnot war am schlimmsten. Es sah nicht danach aus, als würde er Luft bekommen.
Auf einmal durchrasten ihn Schmerzen.
Überall – nicht zu
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