1053 - Die Rache der Geköpften
kein Laut mehr dringen würde. Um den Kopf herum hatte sich eine Blutlache ausgebreitet. Sie lag wie ein rötlich schimmernder Ölfleck auf dem Parkettboden.
Ich war vieles gewohnt. Deshalb konnte ich diesen schrecklichen Anblick auch relativ schnell abschütteln. Ich erwachte aus meiner Starre und rannte auf die Tür zu, wobei ich darauf achtete, nicht in die Blutlache zu treten.
Der Kopf lag glücklicherweise so weit von der Tür entfernt, daß ich sie aufziehen konnte. Der Spalt reichte mir aus, um mich nach draußen drücken zu können.
Im Treppenhaus sah ich nichts. Es war leer. Ich hörte auch nichts.
Keine hastigen Schritte, die sich nach unten hin entfernten. Und auch der alte Aufzug bewegte sich nicht.
Hier war jemand lautlos erschienen und ebenso lautlos wieder verschwunden. Wie ein Geist, ein Phantom, das sich nur dann zeigte, wann immer es ihm paßte.
Ich drehte mich um.
Noch in der Bewegung hörte ich den gellenden Frauenschrei.
Auch ohne die Wohnung betreten zu haben, wußte ich, was geschehen war. Larissa Larkin und Suko hatten nach mir das Zimmer verlassen, waren in den Flur gegangen und hatten das Schreckliche gesehen.
Ich ging wieder zurück und schob mich dabei durch den Spalt.
Suko und Larissa standen dicht beisammen. Mein Freund hielt die Wissenschaftlerin umarmt, die ihren Kopf leicht gesenkt und gegen Sukos Brust gedrückt hatte. Sie war auch nicht still. Nach dem schrecklichen Schrei weinte sie nur noch, und ihr Körper zuckte wie unter den Schlägen einer unsichtbaren Rute.
Suko schaute mich fragend an, nachdem er zunächst dem Kopf einen Blick zugeworfen hatte.
Ich konnte nichts anderes tun, als die Schultern anzuheben, denn auch mir war der Kopf unbekannt. Ich kannte das Gesicht des Mannes nicht. Möglicherweise hatte Larissa ihn gekannt. Oder sie war allein durch den Anblick so geschockt.
Suko drehte sich vorsichtig herum. Wie eine alte Greisin ging Larissa vor und ließ sich von meinem Freund und Kollegen zurück in das Zimmer führen.
Ich schaute mir noch einmal den Kopf genauer an. Auch jetzt kam mir das Gesicht nicht bekannt vor.
Im Zimmer hatte Suko eine Flasche Cognac und auch ein entsprechendes Glas gefunden. Er war dabei, es Larissa zu reichen, die zitternd und weinend im Sessel saß, schluchzte und dabei ihren Mund hektisch bewegte.
Sie konnte das Glas nicht halten. Das übernahm Suko für sie. Larissa trank den Whisky wie ein kleines Kind seine Milch. Danach stierte sie ins Leere und schluchzte dabei weiter. Sie würde noch eine Zeit brauchen, bis sie ansprechbar war.
Suko winkte mich zur Seite. »Es war ein verdammter Schock für sie. Ich war froh, daß ich bei ihr war. Sie wäre nach diesem Anblick sonst durchgedreht.«
»Hattest du den Eindruck, daß sie den Kopf kennt? War er ihr bekannt? Kann es ein Kollege gewesen sein?«
»Sicher bin ich da nicht«, erwiderte Suko. »Vorstellen könnte ich es mir schon.«
»Wir werden es erfahren.«
»Und du, John? Du bist in den Hausflur gelaufen. Da hast du nichts gesehen – oder?«
»Nein, sonst wäre ich nicht hier, sondern hätte ihn verfolgt.«
»Das stimmt«, murmelte Suko. Sein Gesicht zeigte einen Schatten von Nachdenklichkeit. »Ich frage mich nur und du tust es wahrscheinlich auch, wie es möglich war, daß jemand die Wohnung betreten konnte, ohne daß wir etwas bemerkt haben.«
»Mit einem Schlüssel…?« Die Antwort klang so, als glaubte ich sie selbst nicht, und Suko schüttelte sofort den Kopf.
»Nein, da müssen wir umdenken.«
»Außerdem war die Tür geschlossen.«
»Stellte sich die nächste Frage, warum er den Körper nicht in den Flur geworfen hat.«
»Manski wurde geköpft, Suko. Das ist ein Zeichen. Oder einfach das Omen schlechthin.«
»Ja, ich weiß, auf was du hinauswillst, John. Wie du mir, so ich dir. Daraus läßt sich folgern, daß wir den Mörder möglicherweise kennen. Nämlich Igor Manski.«
»Genau. Ein Geköpfter, der es zudem geschafft hat, aus der Pathologie zu verschwinden. Hervorragend«, fügte ich noch sarkastisch hinzu. »Da haben mal wieder unsere Freunde von der anderen Seite ihre verdammten Hände im Spiel.«
Ich drehte mich um, denn nun war Larissa Larkin wichtig. Ich hoffte nur, daß sie sich soweit erholt hatte, um gewisse Fragen beantworten zu können.
Sie saß noch immer in ihrem Sessel, den Kopf gesenkt und den starren Blick auf den Fußboden gerichtet. Sie zog die Nase hoch, wischte über ihre Augen und schrak leicht zusammen, als ich sie an der Schulter
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