1079 - Dämonen-Domina
sich hilflos, aber nebenan wohnte jemand, der sie vielleicht unterstützen konnte. John Sinclair konnte ihr zumindest seelischen Beistand geben. Es konnte ja sein, daß er eine bessere Idee hatte.
Shao wollte nicht mehr allein bleiben. Sie mußte wissen, wo sich Suko aufhielt. Möglicherweise steckte er in akuter Lebensgefahr, und deshalb zog sie sich so schnell wie möglich an und griff dann zum Telefon. Die Uhrzeit spielte bei einem Freund keine Rolle…
***
Die Decke war zu Boden gefallen. Das hatte Suko noch aus dem Augenwinkel mitbekommen. Sein Blick galt einzig und allein dem offenen Sarg, der nicht leer war.
Darin lag jemand!
Ein Mensch, das stimmte. Oder eine Gestalt, die einmal, ein normaler und lebendiger Mensch gewesen war. Jetzt war die Person tot und in den Zustand der Verwesung übergegangen. Die Leiche hätte längst riechen müssen, was in diesem Fall nicht passiert war, denn die Reste waren mit einem Öl oder Fett beschmiert worden, das den Geruch zurückhielt. So wirkte die bewegungslose Gestalt wie einbalsamiert.
Sie befand sich in einer Übergangsphase vom Menschen zum Skelett. Es waren schon Knochen zu sehen, aber nicht überall. Am Körper und auch im Gesicht klebte noch das durch die Behandlung dunkler gewordene Fleisch. Es schimmerte bläulich und leicht rötlich. Da mischten sich beide Farben zusammen.
Suko fand das Gesicht abstoßend. Knochen und Haut waren zu sehen. Auf den Wangen klebte noch das Fleisch, während sich die Haut am Kinn gelöst hatte. Dort traten bereits die Knochen hervor. Sie sahen spitz und bleich aus.
An den Händen fehlte die Haut zum Teil ebenfalls. Sie sahen aus, als wären sie von halben Handschuhen bedeckt, aus deren Löchern die Finger hervorschauten.
Suko schüttelte sich wie jemand, der den Anblick einfach verbannen wollte. Der Anblick dieser Mischung aus Mensch und Skelett war einfach nicht zu ertragen. Kein Maskenbildner beim Film hätte eine derartige Puppe besser zurechtschminken können.
Auf dem Kopf wuchsen dünne Haare. Vergleichbar mit Spinnweben, die sich ineinander verknotet hatten, und Suko überkam noch immer das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen. Zugleich fragte er sich, wie jemand ein derartiges Gebilde in seiner Wohnung aufbewahren konnte.
Und er überlegte auch, ob die Person wirklich tot war oder eine zombiehafte Existenz besaß, denn so etwas gab es auch. Das wußte der Inspektor sehr genau.
Die halbverweste und zugleich wieder konservierte Leiche war nicht nackt. Sie trug ein einfaches graues Kleid ohne Ärmel und kein Leichenhemd. Auch die Augen waren noch vorhanden. Suko erinnerten sie an geleeartige Kugeln mit einem dunkleren Zentrum.
Langsam hob er den Kopf. Auf die Geste hatte Mishiko gewartet, denn sie lachte leise. Suko tat ihr den Gefallen und schaute sie an. Das Lachen verstummte.
»Was soll das?« fragte er.
»Es ist mein Leben.«
»Mit einer Toten?«
»Ja.«
»Und warum bahrst du sie hier auf?«
Mishiko hob die Schultern. »Weil ich es ihr versprochen habe und weil ich ihr alles verdanke.«
»Du bist mit ihr verwandt?«
»Nein, aber sie war für mich mehr als Vater und Mutter zusammen. Leider mußte auch sie den Weg gehen, aber sie hat in mir eine würdige Nachfolgerin gefunden.«
Suko sagte nichts. Er schaute die Person nur an. Schon beim Anruf und auch später vor der Tür hatte er den Eindruck gehabt, sie zu kennen. Jetzt drängte sich dieses Gefühl abermals in ihm auf.
Deshalb war er auch so konzentriert. Mishiko schien seine Gedanken zu erraten, sonst hätte sie nicht so gelächelt.
»Was ist, Suko?«
Der Inspektor verließ die unmittelbare Nähe des Sargs. Er setzte sich nicht hin, blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht genau, ich bin unsicher und kann eigentlich nur meinem Gefühl nachgehen.«
»Dann tu es.«
»Gut, wenn du zuhörst.«
»Ich freue mich darauf.«
Suko wußte sehr genau, daß es zwischen ihnen beiden zu keiner Übereinstimmung kommen würde.
Dazu waren sie zu verschieden, aber er wollte mehr erfahren, und da durfte er sich nicht zu aggressiv geben. Außerdem dachte er an die Asche in der Wohnung, die einmal ein Mensch gewesen war.
Von ihr eine Verbindung zu dieser dominaähnlichen Gestalt zu ziehen, war mehr als gewagt, aber es mußte eine geben, dessen war sich der Inspektor sicher.
»Daß wir uns hier sehen, würde für einen Unbeteiligten wie ein Zufall aussehen. Aber es ist keiner, denke ich.«
»Da hast du recht.«
»Was passierte,
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