1084 - Stätte der Verdammnis
ein Feind der Menschen. Wenn er sich mit ihnen verbrüdert, dann nur zu seinem Vorteil und auch nur für eine gewisse Zeit. Alles, was er unternimmt, geschieht mit Hintergedanken, das solltest du nicht vergessen, Tricia. Du und deine Freundinnen, ihr werdet keinen Spaß an ihm haben, das kann ich dir versprechen. Er wird euch ins Verderben führen…«
Die Worte hatten ihr nicht gefallen. Sie schüttelte wild den Kopf und schrie dabei. »Nein, nein, nein, verdammt, du lügst! So ist es nicht. So ist es wirklich nicht!«
»Wie dann?«
»Es ist anders, John. Er tut uns einen großen Gefallen. Er wird uns mit in das neue Reich nehmen, das wir dann in seinem Sinne erobern können.«
»Wann soll das geschehen?«
»Heute!«
»Noch in dieser Nacht?«
»Ja. Genau zur Tageswende wird es passieren. Das ist der große Zeitpunkt, darauf arbeiten wir hin. Darauf warten wir. Alles wird so sein, wie er es uns gesagt hat. Um Mitternacht öffnet sich die neue Welt völlig. Wir können hinein, wir werden in das Paradies schauen, verstehst du da? Er hat uns den Garten Eden erklärt, und es ist…«
»Nichts ist es!« sprach ich in ihre Worte hinein. »Ihr werdet enttäuscht sein. Es gibt keinen Garten Eden. Guywanos Herrschergebiet ist schaurig und schlimm. Es ist eine Brutstätte der Verdammnis. Es ist das Fegefeuer. Eine Hölle für sich, in der Menschen sich einfach nicht wohlfühlen können, Tricia. Verbrannte Erde. Tote. Gebeine. Monstren, das alles werdet ihr erleben, aber nicht das Paradies, das er euch versprochen hat. Wie immer es auch aussehen mag.«
»Wunderbar sieht es aus«, flüsterte Tricia. »Er hat von einem wahren Reich gesprochen. Dieses Paradies ist für alle die Offenbarung. Warum sollte er denn lügen?« schrie sie. »Warum sollte er uns von herrlichen Wäldern und Wiesen berichten? Von Auen, in denen wir die Elfen und Engel finden. Die wunderschönen Gesänge der Sirenen. Wo das Wasser so wunderbar klar ist und der Mensch in völligem Einklang mit der Natur lebt. Warum sollte er lügen? Warum? Was hätte er davon?«
Tricia glaubte alles. Das war aus jedem ihrer Worte hervorzuhören. Auch ich war davon überzeugt, daß Kalik, Guywanos Bote, nicht gelogen hatte. Sie würden das Aibon erleben, das ich ebenfalls kannte. Das sogenannte Paradies der Druiden, von den Menschen auch mit dem Begriff Fegefeuer umschrieben, war in ganz früher Zeit entstanden, als sich die beiden großen Gegensätze wie Himmel und Hölle polarisierten. Nach dem Aufstand der Engel war es zur großen Abrechnung gekommen. Nicht alle, die sich gegen die Herrschaft des Allmächtigen gestellt hatten, waren in die Hölle gestoßen worden. Die nicht so schlimmen waren in einem anderen Reich gelandet, im Fegefeuer, wo sie sich quälten. Menschen hatten zu allen Zeiten davon gesprochen und sich auch dieses Fegefeuer ausgemalt. Es gab darüber Zeichnungen, Beschreibungen und noch mehr. Aber es war anders, ganz anders. Niemand konnte genau sagen, wie es aussah, aber es gab Aibon.
Bevölkert von gefallenen Engeln auf der einen und Druiden auf der anderen Seite. Engel, die sich dann in Elfen und Feen verwandelt hatten. Die das Land mit seinem üppigen Bewuchs durchstreiften und sich mit anderen schillernden Figuren vereinigten wie dem Roten Ryan, dem Flötenspieler, der ebenfalls zu Guywanos Feinden gehörte.
Guywano war derjenige, der Aibon ganz beherrschen wollte. Es gab diese beiden Seiten innerhalb des Landes. Die herrliche, die fast schon paradiesische auf der einen Seite und die dunkle, die höllische auf der anderen.
Genau dort herrschte der Druidenkönig. Das war seine Welt. Das Reich des Todes, des Schattens, in dem sich auch das Grauen manifestiert hatte.
Und immer wieder versuchte Guywano, auch den anderen Teil des Landes zu beherrschen. Er wollte alles haben und an sich reißen. Er wollte nicht mehr teilen und hatte es schon mit allen Tricks und Überfällen versucht.
Vergebens bisher.
Nun sah ich ihn wieder mit anderen Augen an. Durch Tricias Erzählung war mir sein neuer Plan schon klar geworden. Geführt mit Raffinesse und Hinterlist. Er selbst schaffte es trotz seiner Macht nicht, in das Land einzudringen. Er war mehr in seinem Bereich vorhanden. Aber er suchte immer nach neuen Wegen und hatte diesmal tatsächlich einen gefunden. Für die sechs Frauen würde sich die positive Seite des Landes Aibon öffnen. Sie waren somit in der Lage, ihm den Weg freizumachen oder in seinem Sinne zu handeln. Zu morden, zu plündern, zu
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