1095 - Der Hexentrank
merkte.
Nicht nur der Hunger und der Durst hatten Mannix aus dem Haus getrieben. Er hatte auch mit sich allein sein wollen. Keinen sehen, mit keinem reden. Nachdenken über sich und seine Zukunft, die hoffentlich nicht nur von der Hexe abhing.
An den Teufel oder wer immer hinter ihr stehen mochte, wollte er nicht denken.
Er ging über einen breiten Weg, der das Gelände quasi in zwei Hälften teilte. Zuvor hatte er immer wieder zum Eingang hingeschaut, aber dort war kein Auto erschienen. Chris Talbotbrauchte eine gewisse Zeit, um das Museum zu erreichen.
Der Kiosk war in einem kleine Steinhaus untergebracht. An der Vorderseite gab es ein breites Fenster. Dort reihten sich sonst die Besucher, die sich mit verschiedenen Waren aller Art eindeckten. Besonders die Kinder kauften an diesem Kiosk ein.
Jetzt hing ein Rollo vor dem Fenster.
Die Eingangstür befand sich an der Rückseite. Sie war nicht durch ein Spezialschloß gesichert. Es war noch nie eingebrochen worden.
Zudem war der kleine Laden im Winter sowieso fast leergeräumt.
Die wenigen Waren, ein paar Konserven und Bierdosen lockten kaum jemand.
Bis auf Mannix.
Er hatte das Schloß geöffnet und konnte jetzt locker in die kleine Bude eintreten, wie er es schon öfter getan hatte. Da hatte er sogar das Rollo hochgezogen und durch das Fenster den Eingangsbereich des Museums beobachtet, denn das kleine Geschäft stand strategisch günstig.
Es war feucht und kühl zwischen den Wänden und den leeren Regalen. Einen Hocker gab es auch. Bevor Mannix darauf seinen Platz fand, zog er das Rollo hoch.
Das trübe Licht drang in den kleinen Bau und erhellte das Innere.
Auf der Fensterbank, die jetzt leer und staubig war, standen noch drei Dosen Bier. Eine Schachtel mit Keksen fand Mannix ebenfalls.
Er riß eine Lasche ab. Schaum sprühte hoch, wurde von ihm weggeschlürft, bevor er die Dose ansetzte und einen langen Schluck trank, bis das Gefäß halb leer war.
Dann aß er Kekse. Er hörte zu, wie sie zwischen seinen Zähnen zerknackten. Er dachte an seine Zukunft und versuchte, sie sich auszumalen, aber da war nichts, was die Zukunft als rosig erscheinen ließ. Die Hexe war mächtiger geworden, er war so geblieben.
Der einzige Trumpf steckte in seiner Manteltasche. Es war die Pistole. Doch auch damit würde er bei Edina nichts bewirken. So eine wie sie war vielleicht kugelfest.
Obwohl Mannix wußte, wie es weiterging, war er gespannt. Wenn Chris Talbot kam und in den Kreislauf hineingeriet, dann hatte sie keine Chance. Edina würde sie eiskalt auf ihre Seite ziehen und sie wahrscheinlich noch einmal zu ihrer Erbin machen.
Ein Hexenerbe…
Was passiert mit mir? dachte er. Muß ich mich dann doppelt ducken? Eine Antwort fiel ihm nicht ein. Dafür trank er den zweiten Schluck Bier, und diesmal leerte er die Dose.
Er zerdrückte das Blech mit seiner rechten Hand, warf den deformierten Gegenstand in einen eisernen Abfallkorb in der Ecke und wollte zur zweiten Dose greifen, als er plötzlich gespannt verharrte.
Er richtete den Blick auf den Eingang, den er durch das Fenster gut sehen konnte. Vor dem Museum war ein Wagen aufgetaucht.
Sekunden später erkannte er den Rover, der angehalten hatte.
Nicht sehr lange, dann fuhr er weiter. Chris Talbot hatte das Tor aufgezogen.
Jetzt saß sie wieder hinter dem Lenkrad und fuhr auf das Grundstück des Museums.
Er lächelte.
Plötzlich hatte er keine Lust mehr, in der kleinen Bude zu bleiben.
Er wollte zu Edina, und er wollte sehen, wie sie mit ihrer Nichte zurechtkam.
Mit gemessenen Bewegungen rutschte er vom Hocker. Das Rollo ließ er oben, schaute noch einmal durch das Fenster – und sah im letzten Augenblick die Männergestalt, die hinter einem Baum in Deckung ging.
George Mannix zischte durch die Zähne.
Dieses verdammte Luder war nicht allein gekommen! Es hatte sich einen Freund mitgebracht, einen Beschützer, der sie unterstützen sollte. Mannix lachte lautlos in sich hinein. Sie konnte mitbringen, wen sie wollte, niemand war stark genug, um Edina überlisten zu können. Menschen konnten gegen Hexen nicht gewinnen.
Aber warum Hexen?
Er war auch noch da. Mannix wollte sich des Mannes annehmen.
Wenn er ihn schaffte, würde er in der Achtung der Hexe um einiges steigen. Und er war sich sicher, daß nur er der Sieger sein konnte.
Mannix schob die rechte Hand in die Tasche und streichelte seine Waffe wie die Wange einer Freundin…
***
Auf dem Weg zum Freilichtmuseum hatte ich mich wieder einmal über
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