1109 - Hexenspiele
Betty weiterhelfen kann.« Suko schloß die Augen und ließ sich Zeit für seine Erholung. Suko gehörte zu denen, die durch innere Einkehr und Konzentration manche Hindernisse überwanden. Das gehörte zu seinen Selbstheilungskräften. Durch seine Erziehung hatte er gelernt, sie zu beherrschen.
»Geht es wieder?«
»Frag mich nicht.« Suko lächelte Shao zu. »Was ist mit dir?«
»Mein Rücken macht mir leichte Probleme. Ansonsten bin ich okay. Ich habe leider das Nummernschild des Wagens nicht erkennen können. Alles ging dann so schnell.«
»Wir kennen drei Namen«, sagte Suko. »Dieser Glatzkopf wurde von den Frauen Lou genannt.«
»Sie sind noch da?«
Die fragende Stimme war über ihnen erklungen. Beide schauten in die Höhe und sahen die Mieterin der Wohnung, die sich über das Geländer gelehnt hatte und zu ihnen herabschaute.
»Ja, sind wir«, antwortete Shao, »und wir würden gern mit Ihnen reden, wenn es genehm ist.«
»Kommen Sie rein.« Sie zog sich schon zurück. »Ich werde Ihnen die Tür aufdrücken.«
»Danke.«
Shao wollte Sukos Arm umfassen, um ihn zu stützen, doch er wehrte ab. »Hör auf, ich bin kein kleines Kind.«
»Aber angeschlagen.«
»Ja, wie du.«
Suko konnte gehen. Er durfte nur nicht zu hart auftreten, dann zuckten die Schmerzlanzen wieder durch seinen Kopf. Beobachtet worden waren sie nicht. Niemand ließ sich blicken, und auch im Pub blieb es beinahe totenstill.
Das Licht am Hauseingang ließ sie noch bleicher aussehen, als sie es schon waren. Einen Klingelknopf brauchten sie nicht zu drücken. Sie hörten das Summen des Türöffners und konnten die Tür aufstoßen. Wenige helle Stufen führten hoch zu den Wohnungen im Parterre. Eine Tür stand offen.
Vor der gelben Fußmatte wartete die Frau, die Betty hieß, und schaute ihnen entgegen.
Beide waren mehr als gespannt, was ihnen diese Person zu sagen hatte. Hoffentlich brachte es sie weiter…
***
Sie saßen in dem Raum zusammen, den Suko schon einmal auf einem anderen Weg betreten hatte.
Es war das Wohnzimmer, und es war recht dunkel eingerichtet. Braune Möbel. Ein Schrank, zwei schmale Regale, ein ebenfalls brauner Tisch mit einer Marmorplatte, zwei Sessel mit Cordstoff bezogen, eine Couch als Zweisitzer, keine Blumen, billige Kaufhausdrucke an den Wänden, dazu eine gelbliche Tapete.
Die Mieterin hieß mit vollem Namen Betty Flynn, und sie hatte auf Sukos Wunsch Mineralwasser aus der Küche geholt und es in drei Gläser verteilt. Jetzt war die Flasche leer. Bettys Hände zitterten noch immer, als sie das Gefäß neben den Tisch zu Boden stellte. Danach drückte sie sich in genau den Sessel, in dem sie schon zuvor gesessen hatte, während Shao und Suko ihr gegenüber auf der Couch Platz nahmen und die ersten Schlucke Wasser tranken.
Betty Flynn wirkte bieder. Das schwarze Haar lag glatt auf ihrem Kopf. Eine Frisur ohne Pfiff. Sie trug ein hellgraues Kleid, dessen Stoff mit kleinen Sommerblumen bedruckt war. Um den Hals herum hing eine schmale Perlenkette. Ihr Gesicht war recht hübsch. Ein wenig voll von den Wangen her, aber nett. Auf der blassen Haut lagen Schweißtropfen, und im etwas gelblichen Licht der Lampe wirkte das Gesicht wächsern.
»Melissa und Lara sind uns entkommen«, erklärte Shao. »Es tut uns leid, aber wir konnten sie nicht aufhalten.«
»Ich weiß. Sie sind zu stark.«
»Dann wissen Sie mehr über die beiden?« fragte Suko.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß ich nicht genug über sie. Es ist auch nicht einfach.«
»Aber sie waren keine Feinde.«
»Nein, das waren wir nicht.«
»Wo haben Sie Melissa und Lara kennengelernt?« fragte Shao.
»Hier.«
»Ach.«
»Ja, Lara Lane und Melissa Green kamen zu mir an die Tür. Sie haben mich angesprochen wie zwei Werberinnen. Sie schienen gewußt zu haben, daß ich alleine lebe.«
»Man wollte Sie werben?«
Betty Flynn nickte Shao zu. »Genau das ist der richtige Ausdruck. Ich sollte angeworben werden und die Chance erhalten, noch vor der Jahrtausendwende ein neues Leben zu führen. Ich sollte mich ändern und mich drehen. Nur noch in eine bestimmte Richtung schauen und alles andere einfach vergessen.«
»Was heißt das genau?«
»Der neue Weg«, erwiderte sie leise.
»Und wohin sollte der führen?«
»Zu ihm. In sein Reich. Sie sprachen von einem Mächtigen, der tatsächlich die Welt regiert, dem Menschen gehorchen, und der nie genug von ihnen bekommen kann.«
»Wußten Sie denn, wer sich dahinter verbarg?«
»Nein«, gab Betty
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