1109 - Hexenspiele
Der neue Tag war mittlerweile angebrochen. Es ging auf die erste Morgenstunde zu, doch direkt müde war keiner von ihnen.
Suko quälten noch die Kopfschmerzen, und dagegen wußte Shao ein Mittel. Es stammte aus ihrer Hausapotheke. Eine selbst zusammengemixte Flüssigkeit, die auf einem Rezept beruhte, das die Chinesen schon vor sehr langer Zeit gekannt hatten. Ein Naturmittel, daß der Chemie überlegen war.
»Trink.«
»Danke.«
Suko leerte die Tasse in kleinen Schlucken. Er fühlte sich matt und war letztendlich froh darüber, die Beine ausstrecken zu können. Lange blieben sie nicht ungestört, denn der Kollege rief an, mit dem Suko schon zuvor gesprochen hatte.
»Ich habe mal nachgeforscht und herausgefunden, was mit dem Boot passiert ist.«
»Ja…?«
»Das können Sie vergessen. Man hat es verkauft. Und zwar an einen solventen Käufer aus Frankreich. Wenn Sie wollen, können wir da noch nachhaken und…«
»Nein, danke, das ist nicht nötig. Sie haben mir auch so schon gut geholfen.«
»Okay, bis später mal.« Suko zuckte mit den Schultern. »Sorry, das ist wohl nichts gewesen, Shao.«
»Das Hausboot?«
»Ja, die Spur. Sie ist im Sande verlaufen. Gewissermaßen im französischen Sand. Ein Franzose hat es erworben. Damit können wir die Sache abhaken.«
Shao breitete die Arme aus. »Wunderbar, Suko, aber wie geht es jetzt weiter?«
Der Inspektor strich über seine Stirn. »In dieser Nacht nicht mehr, denke ich.«
»Also morgen.«
»Klar. Oder heute. Wie du es siehst.«
»Das Problem bleibt das gleiche.«
Suko wollte keine Antwort mehr geben. Er war einfach zu müde. Es kam bei ihm nicht oft vor. Aber der Schlag gegen den Kopf und auch Shaos Trank hatten ihn irgendwie umgehauen. Er war kaum in der Lage, sich aus dem Sessel zu stemmen.
»Komm«, sagte. Shao und lachte leise. »Ich bringe dich ins Bett.«
»Laß mal, das schaffe ich schon allein.«
Suko schlurfte in das gemeinsame Schlafzimmer. Shao ging trotzdem mit ihm, weil sie noch Decken holen wollte. Ihr Besuch würde im Wohnzimmer den Rest der Nacht verbringen.
Betty Flynn starrte ins Leere. Sie bekam kaum mit, daß Shao ihr ein Schlaflager zurechtmachte, zu sehr war sie in Gedanken versunken.
»Auf was habe ich mich da nur eingelassen?« fragte sie mit leiser Stimme, als Shao neben ihr stehenblieb und eine Hand auf ihre Schulter legte. »Ich kann es nicht fassen. Es will nicht in meinen Kopf, verstehen Sie?«
»Sie sollten sich nicht zu viele Gedanken machen, Betty. Oft ist das Schicksal gegen einen Menschen. Da kann er versuchen, was er will, er schafft es nicht.«
»Was nicht?«
»Sein Leben so in die Hand zu nehmen wie es sein müßte. Mein Partner und ich haben auch nicht alles richtig gemacht, Betty, das können Sie mir glauben.«
»Es kam mir nicht so vor.« Sie winkte ab und fuhr mit der anderen Hand an ihrem Hals entlang.
»Was meinen Sie? Ist die Gefahr jetzt für mich oder uns alle vorbei?«
»In dieser Nacht schon, denke ich.«
»Und morgen?«
»Werden wir weitersehen.«
»Nein, Shao, das ist mir zuwenig. Zu allgemein. Ich denke mir, daß sie nicht aufgegeben haben und einen zweiten Angriff - sage ich mal - vorbereiten.«
»Da kann ich leider nicht widersprechen, Betty…«
***
Satan war da!
Oder der Teufel. Oder Asmodis - wie immer man diese Höllengestalt auch nannte. Er zeigte sich so, wie ihn sich die meisten Menschen vorstellten und wie diese Überlieferung des Teufels vom Mittelalter in die Neuzeit übernommen worden war.
Seine dreieckige Fratze, die zum Kinn hin spitz zulief. Die breite Stirn, aus der die beiden leicht gekrümmten Hörner wuchsen. Die kantige und hölzerne Nase, das häßliche Maul mit den Stiftzähnen, der stechende und grausame Blick, der zu seinem Gesicht gehörte, unter dem der völlig nackte Körper wuchs. Zwischen seinen Beinen baumelte ein großes Geschlechtsteil, so wie es sich die Menschen auch damals vorgestellt hatten. Das Böse, das sonst nur als Umkehrschluß zu dem Guten vorhanden war, zeigte sich in dieser für Menschen bekannten Gestalt. Sogar mit dem Bocksfuß und einem langen Schwanz, der hinter ihm wie eine Peitsche hin- und herschlug.
Er war der Meister. Er war gekommen. Er war trotz allem nicht wirklich da.
Über dem Kessel lag er schräg in der Luft. Sein Körper war nicht mit Masse ausgefüllt. Er glich noch einer Zeichnung, als er seinen Kopf drehte und dabei jeden einzelnen anschaute.
Und sie schauten zurück.
Lou Gannon hatte die demütige Haltung
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