1115 - Die Tränen des Toten
schauten uns an, blieben ruhig und hingen für eine Weile unseren Gedanken nach. Ich wollte dann wissen, ob der japanische Botschafter über die Vorgänge informiert war.
»Das wird Sir James in die Hand genommen haben«, meinte Suko. »Doch niemand von uns weiß, was die beiden vorhaben. Wir können davon ausgehen, daß ein Untoter von einem ebenfalls untoten Samurai beschützt wird. Ich weiß auch nicht, wie Agashi starb. Alles liegt im Dunkeln. Er steckt voller Geheimnisse. Für uns ist es verdammt schwer, hinter die Kulissen zu schauen.«
»Wer war Agashi?« fragte Glenda.
»Ein Mann mit Beziehungen. Einer, den kaum jemand mochte, den man aber brauchte. Jemand, dessen Beziehungen weltweit reichten. Er knüpfte Verbindungen. Er brachte Menschen zusammen und fädelte so die großen Geschäfte ein. Von deren Provision lebte er nicht schlecht. Sein Vermögen ist sehr groß. Er besitzt Wohnhäuser auf der gesamten Welt verteilt, aber jetzt ist er tot. Und niemand weiß so recht, wie er gestorben ist oder auch nicht.«
»Du hast von blutigen Tränen gesprochen«, sagte ich.
»Ja, sie strömten aus den Augen der Leiche, bevor sie erwachte.« Suko zuckte die Achseln. »Frag mich nicht nach den Gründen, denn ich kenne sie nicht. Es ist eine Tatsache, daß er sie weinte. Das kann ich beschwören.«
»Gründe kann ich mir auch keine vorstellen«, sagte Glenda und schauderte zusammen.
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Tatsache ist, daß es zwei gefährliche Wesen gibt, die wir jagen müssen.« Meine nächste Frage galt Suko. »Hast du dir schon darüber Gedanken gemacht, wie wir es schaffen können, sie zu stellen und sie letztendlich zum Teufel zu schicken?«
Suko lachte etwas kratzig. »Du hast recht, John, in der Hölle wären sie gut aufgehoben. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß zumindest einer sie eben verlassen hat.«
»Der Bogenschütze?«
»Eben der.«
»Hast du ihn denn nicht richtig erkennen können?« fragte Glenda.
»Leider nicht. Eine schwarze Gestalt. Ich nehme an, daß er die Rüstung eines Samurai trug. Er war mit dem Bogen bewaffnet, und er war von einer nebulösen Wolke umgeben, die durchaus ein Schutzpanzer sein kann. Mir kam der Gedanke an Shimada, aber er war es nicht. Außerdem ist er vernichtet, und ich hätte die kalten, blauen Augen sehen müssen. Nein, nein, die Dinge liegen anders. Er ist wie ein gefährliches Gespenst aus dem Jenseits. Er wird sich als unbesiegbar fühlen, ähnlich wie Shimada, und wir müssen uns eine Möglichkeit schaffen, an ihn heranzukommen und ihn zu vernichten. Er beherrscht den Bogen perfekt. Er ist mit dieser Waffe wahnsinnig schnell, und ich habe mich nicht einmal getraut, nach meinem Stab zu greifen, um ihn zu stoppen. Er hatte den Pfeil bereits aufgelegt. Jede geringste Bewegung von meiner Seite hätte für mich tödlich enden können. So ist das nun mal gewesen.«
»Aber wir werden ihn fangen müssen«, sagte ich.
»Das stimmt.«
»Wie denn?« flüsterte Glenda, womit wir uns wieder im Kreise gedreht hatten und beim Thema waren.
Suko wurde plötzlich sehr ernst. Jegliches Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Er hatte die Stirn gerunzelt und die Augen leicht verengt. »Es gibt eine Möglichkeit, die uns oder mir vielleicht einen Vorteil verschafft oder uns zumindest auf die gleiche Stufe stellt.«
»Sehr gut«, lobte ich und fragte: »Welche denn?«
»Die Krone der Ninja!« flüsterte Suko…
***
Nach diesen Worten war unser Gespräch plötzlich eingefroren. Ein jeder von uns wußte, was es bedeutete. Sie war im eigentlichen Sinn keine Waffe, aber sie konnte zu einer werden, damit hatten wir auch unsere Erfahrungen.
»Warum sagt ihr nichts?« fragte Suko.
»Du fährst harte Geschütze auf!« flüsterte ich.
»Das ist auch nötig, John, wenn du diesen Samurai erlebt hättest. Ich will nicht noch einmal das gleiche erleben wie mit Shimada. Das akzeptiere ich nicht. Es muß so schnell wie möglich ein Schlußstrich gezogen werden. Die Krone der Ninja ist etwas Besonderes, sie ist keine Waffe, aber sie kann uns helfen.«
Das stand außer Frage. Lange hatten wir sie nicht mehr eingesetzt. Sie war einmal im Besitz der Sonnengöttin Amaterasu gewesen und hatte sich im Dunklen Reich befunden. Die Krone sollte demjenigen gehören, der sich als der beste Ninja-Kämpfer herausstellte und auf der Seite des Lichts stand. Sie hatte einen Besitzer gefunden. Es war Yakup Yalcinkaya gewesen. Ihm war es gelungen, mit Hilfe
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