1135 - Cathys Friedhof
hinter den Scheiben keine Bewegung gesehen. Das Haus war verlassen. Und es war abgeschlossen.
Kein Problem für Tanner. Er holte den Schlüssel aus seiner Tasche und grinste vor sich hin. »Mag das Haus auch noch so alt sein, das Schloß ist neu.«
Es war eines dieser Zylinderschlösser, in dessen Öffnung der flache Schlüssel hineinglitt. Tanner mußte ihn zweimal drehen, dann konnte er die Tür aufdrücken.
Es ging recht leicht. Zu dritt betraten wir die große und dunkle Halle. Sofort war zu spüren, daß Camdon House nicht verlassen war. Zwar im Moment menschenleer, aber es waren hier Feste gefeiert worden. Der Geruch hing in der Luft. Er verteilte sich selbst in den hohen Räumen nicht.
Die Einrichtung in der großen Halle war zweckmäßig. Abgedeckte runde Stehtische für den kleinen Empfang. Sideboards, auf denen Gläser abgestellt werden konnten, große Teppiche, wenige Sitzgelegenheiten. Sie bestanden aus Stapelstühlen.
Nichts Auffälliges und auch nichts, was man sich als Einrichtung zu einem alten Schloß vorstellte.
Hier interessierte nur die Umgebung.
Hinweisschilder zu den verschiedenen Sälen sahen wir auch. Eine breite Treppe führte nach oben.
In der Mitte lag ein Teppich, der den größten Teil der Stufen bedeckte.
Vor der Treppe blieben wir stehen. Die Tür war wieder zugefallen. Allmählich zog sich auch das Tageslicht zurück. Das war ebenfalls hier in der Halle zu merken. Die Schatten hatten die Helligkeit vertrieben.
Ich sah unter der Decke den Kronleuchter und auch die Lampen an den Wänden. Da sich ein Lichtschalter in der Nähe befand, drückte ich ihn.
Unter der Decke erhellte sich der Kronleuchter. Es breitete sich ein heller Strahlenkranz aus, der die Schatten selbst aus den Winkeln der Halle vertrieb.
Tanner kam auf mich zu. »Sieht ja alles ganz normal aus. Ein Haus, das nicht leersteht, sondern gemietet werden kann. Kein Geisterschloß, keine Spukgestalten, keine Frau ohne Kopf und keine jammernden Seelen. Hier schöpft niemand Verdacht.«
»Dennoch hat es vier Tote gegeben«, sagte ich.
»Du glaubst noch immer an einen Zusammenhang, John?«
»Wir haben bisher nur die Halle besichtigt.«
»Klar.«
Suko kam zu uns. »Sollen wir zusammenbleiben oder alles getrennt durchsuchen?«
»Getrennt geht schneller«, schlug Tanner vor. »Ich möchte heute noch nach Hause.«
Ich hatte mich schon entschieden und wies auf die Treppe. »Dann sehe ich mich mal oben um.«
Suko und Tanner waren einverstanden. Sie sprachen auch noch von einem Keller oder Gewölbe, das es bestimmt gab, dann zogen sie sich zurück, um eine Tür aufzustoßen, hinter der ein zweiter Saals lag. Ich erhaschte noch einen Blick hinein.
Es war nicht viel zu sehen. Ich sah den Anfang eines langen Tischs, der durch Stühle von zwei Seiten eingerahmt wurde.
Als ich die Treppe hinaufgestiegen war, stand ich am Beginn eines Flurs, der die gesamte Breitseite des Hauses durchzog. Auch hier schaltete ich das Licht ein.
Von der Decke her fiel der Schein auf die geputzten Bohlen, die wie dunkelroter Lack glänzten.
Camdon House war top in Ordnung gehalten worden. Das mußte auch so sein, denn wer feierte schon gern in einem verfallenen Bau, von einigen Freaks einmal abgesehen. Auch als Geisterjäger besitzt man die Neugierde eines Polizisten. Und so probierte ich, ob die Türen an den Seiten offen oder verschlossen waren.
Sie waren abgeschlossen. Klar, es gab einen Hausmeister. Und Will Roberts hatte auf mich nicht den Eindruck gemacht, als würde er seinen Job schleifen lassen.
Ich stand noch am Anfang des Gangs. Er war leer. Es herrschte tiefe Stille.
Ich sah helle Wände, die im Laufe der Jahre leicht angegraut waren. An beiden Seiten hingen Gemälde. Eine Ahnengalerie, wie man sie aus Schlössern kennt.
Porträts der Menschen, die Geschichte mitgeschrieben hatten. Ich sah mir die ersten beiden Bilder an. Die Gesichter der beiden Männer wirkten streng und finster. Es mußten wohl Herrscher gewesen sein. Sie hatten auch dementsprechende Posen eingenommen, denn sie stützten sich jeweils auf ihren Waffen ab.
Diese Camdons hatten vor mehr als dreihundert Jahren gelebt und wahrscheinlich zum Stadtadel gehört, der sich um den Hof herum versammelt hatte. Das Schloß der Windsors lag ja nicht zu weit entfernt. Schon damals hatten die Menschen immer gewußt, wo es für sie am meisten zu holen gab.
Ich ging langsam weiter. Von Tanner und Suko war nichts mehr zu hören. So konnte ich mich ganz auf meine Umgebung
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