1141 - Die Königin von Avalon
seine Worte in meinem Kopf hineinbrachte, so dass ich alles verstehen konnte. »Von nun an wirst du nichts mehr von mir hören, John. Ich habe eine alte Schuld beglichen, alles andere ist deine Sache, Sohn des Lichts…«
Es war der Abschied. Die Rückkehr in die Normalität. Ich hatte dabei das Gefühl, aus einer fremden Ebene hinein in die normale oder wieder zurück in das normale Leben zu treten, denn ich war wieder der Mensch, wie ich mich kannte.
Ich war wieder John Sinclair, der Geisterjäger. Ich war wieder verletzbar wie jeder andere Mensch auch. Ich konnte wieder die Schmerzen spüren, wenn sie mir zugefügt wurden. Ich nahm auch Kälte und Wärme wahr, ich befand mich nicht mehr in einem Vakuum. Der Erzengel hatte mir sekundenlang bewiesen, wie mächtig er war, und so hatte ich dieses Gefühl auch genießen dürfen.
Jetzt war ich wieder der Mensch, und auch jemand, der normal reagierte, wenn er etwas Unnormales erlebt hatte. Ich bekam weiche Knie. Mir wurde sogar schwindlig, so dass ich über die Nähe der Bankreihe froh war, an der ich mich abstützen konnte.
Mein Blick war nicht mehr so scharf. Vielleicht durch einen Tränenschleier entstanden. Und so schaute ich hoch gegen die Kirchendecke, die sich leicht von einer Seite zur anderen bewegte.
Langsam ließ ich mich nach unten sinken und drehte mich dabei so, dass ich mich auf die harte Bank setzen konnte. Ich brauchte mich nicht erst im Spiegel zu sehen, um zu wissen, wie ich aussah. Weit geöffnete Augen. Ein leerer Blick, der bewies, dass ich die Erlebnisse noch nicht ganz verdaut hatte.
Ich legte meine Hände auf die Oberschenkel. Es gibt Augenblicke im Leben, da fühlt man sich wie ein Greis. Davon war ich nicht weit entfernt. Alles in mir war leer, und allmählich begriff ich, wie nahe ich dem Tod gewesen war.
Und jetzt? Ich lebte noch. Der X-Ray hatte sich aufgelöst. Dann tat ich etwas, das mich ebenfalls Überwindung kostete. Ich senkte den Kopf, um an meinem Körper entlang nach unten zu schauen. Ich hatte genau gesehen, wo die breite Klinge in meinen Körper eingedrungen war. Dort hätte sich der breite Einstich zeigen müssen.
Es gab ihn nicht!
Ich wusste selbst nicht, was mich mehr schockte. Entweder die Tatsache, dass es ihn nicht gab oder dass ich noch am Leben war. Beides erschien mir unwahrscheinlich, aber ich zwang mich selbst dazu, darüber nachzudenken und kam auch zu einem Ergebnis.
Es hatte am Erscheinen des Engels gelegen. Er hatte sich nicht nur schützend vor mich gestellt, er hatte mir auch einen Teil seiner Kraft überlassen.
Nun wusste ich, wie mächtig die Erzengel waren. Für eine gewisse Weile war ich unverletzbar geworden, und darüber konnte ich nur staunen. Es war mit der reinen Logik nicht zu begreifen. Ich musste mich vor der Macht verbeugen, die um ein vielfaches stärker war als die der Menschen. Der Gedanke daran machte mich noch demütiger den anderen Kräften gegenüber, die mein Dasein bestimmten.
Die Wirklichkeit drängte sich wieder stärker in mein Bewußtsein, und so hörte ich das sehr menschlich klingende Geräusch. Es war ein Räuspern, das mich zwang, den Kopf zu drehen.
Suko stand vor mir. Er war sehr leise gekommen. Ich wusste nicht, was er mitbekommen hatte, schaute ihn an, ohne etwas zu sagen, und ich sah dann sein Nicken und das Lächeln auf seinen Lippen.
Ich flüsterte seinen Namen und schüttelte zugleich den Kopf. »Du glaubst nicht, was mir widerfahren ist.«
»Etwas habe ich mitbekommen.«
»Ja, kann sein. Auch das Messer in meinem Körper.«
»Bitte?«
Er war jemand, der seine Überraschung gut verbergen konnte, was er auch diesmal tat. »Ja, es war die schwarze Klinge. Ich konnte ihr nicht ausweichen. X-Ray drückte sie tief in meinem Körper hinein, aber ich lebe trotzdem noch. Es kam Hilfe oder ich hatte schon Hilfe, denn mir wurde für eine gewisse Zeit die Kraft des Erzengels Michael überlassen. Sie hat mich unverletzbar gemacht. Ich habe die Grenze vom Menschen zum Engel überspringen können.« Die eigene Erklärung kam mir so phantastisch vor, dass ich den Kopf schüttelte. »Nicht zu glauben, nicht zu fassen, aber es ist so gewesen.«
»Das glaube ich dir.«
Von unten her schaute ich ihn an. »Was hast du erlebt? Es waren mehrere Gegner.«
»Sie leben nicht mehr.«
»Was…«
»Einen habe ich draußen erwischt, kurz nachdem er einen Mord beging. Den zweiten hier in der Kathedrale. Ich konnte sie mit der Dämonenpeitsche vernichten. Ich denke, wir haben Baphomet
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