1143 - Grabmal des Grauens
ist.«
Ich war schon vorgegangen. Der übliche Test, beinahe schon langweilig, aber Bill hatte recht. Es gab keine bessere Möglichkeit.
Mit dem nächsten Schritt erreichte ich den Rand der Grabstätte. Zum Weg hin war sie mit einem Kantstein abgedeckt, der erst überschritten werden musste, um auf das Grab zu gelangen.
Ich wollte es tun, als plötzlich etwas passierte. Mich überkam das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Etwas hielt sich in meiner unmittelbaren Umgebung auf, wobei sich da nichts verändert hatte. Es war einfach nicht zu sehen und doch vorhanden.
Es war auf einmal kalt geworden.
Nicht vom Wetter her. Nein, diese Kälte war anders. Sie kroch vom Boden in die Höhe. Sie schob sich an meinem Körper entlang in die Höhe, sie erreichte das Gesicht, und vor meinen Lippen sah ich kondensierten Atem. Das war bei diesem Wetter normal, nur sah der Atem, der sich jetzt vor meinem Mund hielt, anders aus. Er war dichter, schwerer und zerflatterte nicht.
Das war nicht normal!
Auch Bill war es aufgefallen. »Verdammt, John, was ist das?«
»Soll ich sagen, dass sich die Toten melden? Ektoplasma? Geister, die sich zeigen?«
»Ich habe das nicht gespürt, als ich das Grabmal besuchte.«
»Sie kommunizieren wohl nicht mit jedem.«
»Hör auf.«
Die Kälte blieb. Sie steckte in meinem Körper und schwebte auch sichtbar an den Außenseiten. Denn jetzt war diese Masse nicht nur vor meinem Mund sichtbar, sie schwebte auch an mir hoch.
Ich wartete nicht mehr länger und betrat das Grab. Kaum hatte ich den Fuß auf die Erde gesetzt, da passierte etwas mit den vier Figuren. Sie selbst blieben stehen, aber in ihrer direkten Umgebung zeigte sich die Masse wie ich sie bei mir erlebt hatte. Etwas Geisterhaftes löste sich aus ihren Mäulern und schwebte über ihren Köpfen hinweg davon. Man musste schon genau hinschauen, um sie zu sehen. Sie waren wie helle Schatten, die in die Umgebung eintauchten.
Nicht nur ein Schatten.
Ich hatte gleich vier gesehen. Sie gehörten dem Mörder und dreien seiner Opfer.
Trotzdem wollte ich den Test mit dem Kreuz durchführen. Dazu kam ich vorläufig nicht, denn mein Freund Bill Conolly sprach mich an. Er sagte nur meinen Vornamen. Etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen, und ich drehte mich um.
Der Reporter war ebenfalls zu einer steinernen Figur geworden. Er bewegte sich nicht mehr. Er hielt nur den Arm ausgestreckt und deutete in eine bestimmte Richtung.
Schräg nach vorn. Dorthin, woher wir gekommen waren. Quer über den Weg malte sich ein dunkler Schatten ab.
Es war das Killerbeil!
In den folgenden Sekunden taten wir nichts. Regungslos blieben wir stehen, die Köpfe voller Gedanken. Das gleiche Phänomen wie in Bills Arbeitszimmer auf dem Bild.
Ich ging davon aus, dass die vier Figuren neben mir ihre Magie verloren hatten, trat wieder vom Grab weg auf den Weg. Etwa drei Meter vor mir lief der Schatten schräg über die feuchte Erde hinweg. Er war starr. Er zitterte nicht. Am Rand des Wegs zeichnete sich die Klinge ab.
Bill unterbrach das Schweigen. »Sind sie jetzt frei, John? Sind ihre Geister frei geworden? Finden sie keine Ruhe?«
»Das könnte so sein.«
»Ich frage mich nur, ob ein Schattenbeil auch töten kann.«
»Das werden wir gleich haben.«
»Was hast du vor?«
»Abwarten…«
Ich wollte es genau wissen. Dafür musste ich allerdings in die unmittelbare Nähe des Schattens. Ich rechnete, daß er mit einer fremden Magie gefüllt war und womöglich aus dem Jenseits hergeführt wurde.
Bill Conolly beobachtete mich. Seine Haltung zeigte an, dass er jeden Augenblick damit rechnete, ebenfalls eingreifen zu müssen.
Die wenigen Schritte waren für mich wie eine Wanderung durch eine fremde Welt. Hier waren zwei Pole aufeinandergetroffen, und an den beiden Nahtstellen zeichnete sich der Schatten des Beils ab, der aus dem Jenseits gekommen war.
Dass er hier zu sehen war, akzeptierte ich noch. Wie aber hatte er es geschafft, in Bills Arbeitszimmer zu wandern? Konnte er Menschen aus seiner Welt heraus verfolgen?
Ich zog das Kreuz von der Brust weg und holte es hervor. Als es auf meiner Hand lag, rechnete ich damit, dass es sich erwärmen würde.
Genau das passierte seltsamerweise nicht. Das Metall blieb kühl oder körperwarm. Es nahm dieses andere Phänomen überhaupt nicht zur Kenntnis. Es gab keinen Grund für mich, an den Kräften des Kreuzes zu zweifeln. Dass es nicht reagierte, sah ich als positiv an. Da befand ich mich nicht in unmittelbarer
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