1144 - Der Rächer aus dem Morgenland
Zeichen gesetzt. Sie war damals sehr mächtig, und sie war stolz darauf, einen Kreuzfahrer in ihren Reihen zu haben. Als er zurückkehrte, so steht es in den Chroniken, da war er der Mann hier auf der Insel. Noch heute finden Sie die Überreste von Estur Castle nahe der Kirche, die von der Familie errichtet wurde. Man ist hier noch immer stolz auf diesen Namen, was ich als Insulaner auch gut verstehen kann.«
»Hat er je geheiratet?«, fragte Suko.
»Nein.«
»Er war auch nie mit einer Frau zusammen?«
Frank Tigger lachte. »Keine Ahnung. Die Legende berichtet zwar von einem Bauernmädchen Lucy, das ihm sehr zugetan war. Ob es da zu einer heimlichen Verbindung gekommen ist, weiß ich nicht. Aber Menschen sind ja nicht perfekt, auch wenn sie die Moral und die Überwachung anderer an die erste Stelle stellen.«
»Lucy hat sich also in ihn verliebt!«, stellte Suko fest.
»Das weiß ich nicht. Und wenn, dann war es eine heimliche Liebe, von der niemand etwas gewusst hat.«
Ich kam noch einmal auf die Kirche zurück. »In St. Olave's Church kann man ihn besichtigen?«
»Ja, in Eichenholz geschnitzt. Ich kenne das Kunstwerk. Es ist wirklich einmalig.«
»Sie wissen auch nicht, ob sich dieser Edward Estur mit den Künsten der Alchemie oder der Schwarzen Magie beschäftigt hat?«
Tigger zeigte ein erstauntes Gesicht. Dann lachte er. »Ach ja, das haben Sie ja fragen müssen, Mr. Sinclair. Ich hatte total vergessen, mit welchen Fällen Sie sich beschäftigen. Da muss ich leider passen. Ist nicht mein Gebiet.«
»Das wollten wir nur wissen.«
»Schön.« Er lächelte. »Kann ich davon ausgehen, dass Sie mich jetzt verlassen wollen?«
»Ja, und zwar in Richtung Krankenhaus. Es ist für uns wichtig, mit der Zeugin zu sprechen.«
Er nickte. »Es scheint, dass Sie mehr hinter der Tat sehen. Warum? Wieso sind Sie so schnell hier? Warum ist Scotland Yard plötzlich aufmerksam geworden?« Er streckte uns seine Hände entgegen.
»Das geht nicht gegen Sie persönlich, meine Herren, überhaupt nicht, aber es ist mir verwunderlich. Ich mache den Job hier schon ziemlich lange. Wenn ich ehrlich bin, ist mir so etwas noch nicht vorgekommen. Da muss ich passen. Tut mir leid für Sie, denn ich kann Ihnen auch nicht viel helfen.« Er saugte wieder an seiner Pfeife. »Wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich das Gefühl, dass Sie mehr wissen als ich. Kann eine Täuschung sein, muss aber nicht.«
»Sie haben schon Recht«, sagte ich. »Dass wir hier auf der Insel sind, hängt damit zusammen, dass andere Kanäle angezapft wurden. Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen, auch weil Sie nicht verunsichert werden sollen, doch es geht auch ein wenig um die Templer. Sie sind nicht ausgestorben, das mal als Information. Die Gruppe ist noch aktiv, wenn auch nicht unter den Augen der Öffentlichkeit. Und dieser Kreuzfahrer hat zu ihnen gehört, wie eben viele Mitglieder aus diesem Orden. Das müssen Sie ganz klar erkennen.«
»Okay, dann wissen Sie mehr als ich.«
»In der Theorie vielleicht. Für uns ist jetzt wichtig, dass wir mit der Zeugin reden. Wo finden wir das Krankenhaus?«
»Es liegt in der Nähe. Sie brauchen keinen Wagen zu nehmen und können zu Fuß gehen. Der Arzt, der Peggy behandelt, heißt übrigens Dr. Snider. Soll ich anrufen und ihn auf den Besuch vorbereiten?«
»Das wäre nett.«
»Ich komme nicht mit, weil ich mich auch um zwei andere Fälle kümmern muss. Vor mir liegt noch ein Verhör. Jedenfalls bin ich bis zum späten Abend hier.«
Suko und ich erhoben uns. Wir bedankten uns auch für die Hilfe, was Frank Tigger etwas verlegen machte. »Nun ja«, gab er zu, »viel habe ich ja nicht für Sie getan.«
»Das wenige reicht schon, keine Sorge. Uns ging es auch mehr um Informationen aus dem Umfeld. Alles andere werden wir wohl persönlich regeln. Bis dann.«
Er brachte uns noch zur Tür und fragte dann mit leiser Stimme: »Glauben Sie denn, dass der junge Tommy Holland von einem Geist oder einem Gespenst getötet wurde?«
Ich lächelte knapp. »Glauben Sie an Gespenster und Geister?«
»Bisher nicht.«
»Dann lassen Sie es auch dabei«, meinte Suko und hatte damit in meinem Sinn gesprochen…
***
Das Krankenhaus war wirklich nicht zu übersehen. Es stand da wie ein Klotz und erinnerte mich im ersten Moment an ein Industriemuseum, in dem Schätze aus vergangenen Zeiten angeschaut werden konnten. Die rotbraune Fassade aus Ziegelsteinen, die hohen Fenster, mit den bogenartigen Abschlüssen, der breite
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