1162 - Lukretias Horror-Welt
nicht abgeschlossen wie ich an den hochstehenden Sicherheitsstiften erkannte. Deshalb zog ich die Fahrertür auf und schaute in den Wagen.
Es roch nach ihr!
Ein sonderbarer Geruch, der mich nicht eben an einen Frühlingsduft erinnerte.
Stank es nach Erde? Vielleicht nach altem Schlamm? Oder nach einer Masse, die einen feuchten und zugleich auch »toten« Geruch ausströmte? Ich konnte keine bestimmte Aussage treffen. Für mich stand nur fest, dass Lukretia jemand war, der mit anderen Mächten in Verbindung stand und durch sie stark gemacht worden war.
Andere Mächte!
Etwa hier?
Der Gedanke wollte nicht weichen. Ich dachte auch nicht daran, dass ich mich allein auf dem Gelände aufhielt. Zumindest war niemand in der Nähe, der mir hätte zur Seite stehen können. Aber es durchzuckte mich wie eine plötzliche Botschaft, als ich die Wagentür wieder zudrückte. Etwas stimmte nicht mehr. Etwas war anders geworden. Ich sah nichts, aber der Eindruck blieb.
Noch blickte ich gegen das flache Wagendach des Fahrzeugs. Das änderte sich, als ich mich drehte.
Ich sah den Rand des Zelts und auch den etwas helleren Streifen dort. Mir fielen die Pfosten auf, die nur teilweise geknickt waren. Die anderen standen noch normal hoch.
Es waren jedoch mehr geworden!
Nein, doch nicht. Keine Pfosten, sondern Gestalten, die sich wie finstere Nebelgebilde dort aufgebaut hatten und sich nicht von der Stelle rührten.
Etwas anderes geschah auch.
Plötzlich blitzte ein Scheinwerfer auf. Oder zumindest eine starke Stableuchte.
Der Strahl fraß sich mit blitzartiger Geschwindigkeit durch die Finsternis und traf genau das Ziel, das auch anvisiert worden war.
Es war mein Gesicht!
Sehen konnte ich nichts, aber hören, und deshalb vernahm ich auch Lukretias Stimme.
»Willkommen in meiner Horror-Welt, John Sinclair!«
***
Suko hatte seine Dämonenpeitsche noch nie verflucht. Das hätte sich beinahe geändert. In diesem speziellen Fall hoffte er zudem, dass die Peitsche versagt hatte, zumindest einmal, und er hoffte nebenbei, dass Jane Collins von den Kräften der anderen Seite noch nicht zu stark beeinflusst worden war. Hätte Suko in den Spiegel geschaut, er hätte sich über sein eigenes Aussehen erschreckt, so schlecht sah er aus.
Es musste sein. Er konnte nicht kneifen. Deshalb drehte er Jane Collins herum. Das kleine Bad kam ihm eng wie ein Käfig vor. Jane Collins bewegte sich nicht. Sie wirkte wie tot, und Suko schaute auf ihren offenen Mund.
Er hörte weder einen Atem, noch sah er dessen Folgen. Vor den Lippen tanzte kein dunkler Hauch.
Sie zitterten nicht. Alles blieb starr. Offene Augen, kein Blick, der eine lebendige Botschaft gebracht hätte.
Aber auch keine Zeichen der Auflösung wie bei dämonischen Geschöpfen, die von den Riemen der Peitsche getroffen worden waren. Da war dann oft die Haut gerissen. Da entstanden Wunden, die sich weiter ausbreiteten und schließlich zur endgültigen Auflösung führten.
»Bitte«, flüsterte Suko und kannte sich kaum selbst wieder. »Es kann doch nicht so schlimm gewesen sein. Es war kein Schlag, du hast die Riemen nur berührt und…«
Er hörte auf zu sprechen, weil es keinen Sinn hatte. Jane Collins verstand ihn nicht. Sie würde nicht einmal seine Stimme wahrnehmen. Sie war weggetreten.
Suko tastete ihren Hals ab. Er hoffte auf ein Zucken oder Pochen der Schlagader - und seine Hand zuckte zurück, als er das Geräusch vernahm, das aus Janes Mund drang.
Es war ein leises Röcheln. Er hatte sich nicht geirrt. Die Nerven hatten ihm keinen Streich gespielt.
Jane hatte sich tatsächlich auf diese Art und Weise gemeldet. Also war der Keim des Bösen nicht so stark gewesen wie bei Phil Harper.
Hunderte von Steinen polterten von Sukos Herzen. Er fühlte sich irgendwie erlöst. Er hätte jubeln und tanzen zugleich können. Auch der Ausdruck in Janes Augen veränderte sich. Jetzt sah sie wieder aus wie eine Frau, die ihre Umgebung schon normal wahrnahm, sich aber noch nicht zurechtfand.
Suko bemerkte, dass sie sich aufrichten wollte und half ihr dabei.
Er sagte zunächst nichts. Ohne sie anzusprechen, blieb er wie ein Schutzengel neben ihr sitzen. Die Detektivin musste sich erst in der Welt zurechtfinden. Sie wirkte auf Suko wie ein Mensch, der aus einem sehr tiefen Traum erwacht war.
Suko war nur froh, dass seine Dämonenpeitsche nicht die Stärke des Kreuzes besaß. Dann wäre Jane wohl nicht zu retten gewesen. Oder sie selbst hatte sich gegen die völlige Übernahme der
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