1162 - Lukretias Horror-Welt
anderen Seite gewehrt. Das war auch möglich.
Er ließ Jane in Ruhe. Sie musste sich erholen. Sie atmete heftig. Dabei bewegte sie den Oberkörper vor und zurück, und sie drehte schließlich den Kopf, um Suko anzuschauen.
Er wollte etwas sagen, brachte jedoch nur ein Grinsen zustande. Suko hockte neben ihr und fühlte sich unter Janes prüfendem Blick wie ein Fremder.
»Du - Suko?«
»Ja, ich. Warum nicht?«
»Aber wo kommst du her?«
»Es war mehr die Sorge um Lady Sarah, die mich hergetrieben hat. Dann habe ich dich gefunden.«
»Mich?«
»Natürlich.«
Jane rieb ihre Augen. Dabei seufzte sie und schüttelte einige Male den Kopf. »Es ist alles so anders, Suko. Ganz anders. Ich habe den Eindruck, kein Mensch mehr zu sein, sondern eine mir selbst fremde Person. Da ist etwas gewesen, das ich nicht fassen kann. Es hängt mit mir zusammen, aber ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Es ist auch im Moment nicht so wichtig.«
»Doch, doch!« Der Klang ihrer Stimme steigerte sich. »Es ist sogar sehr wichtig.« Sie umfasste mit einer Hand den Rand von Sukos Jacke. »Ich komme nicht mehr klar, verflixt. Wo sitze ich hier? In einem Bad. Aber wie bin ich hier hineingekommen? Kannst du mir das sagen?«
»Bestimmt.«
»Es ist ein fremdes Bad.«
»Auch.«
Jane deutete zögernd auf die Tür, die nicht ganz geschlossen war. Durch den Spalt fiel ein schmaler heller Lichtstreifen. »Kannst du mir auch sagen, welcher Raum dahinter liegt?«
»Aber sicher doch. Es ist ein Krankenzimmer und dort…«
Jane musste so laut lachen, dass Suko verstummte. »Ein Krankenzimmer! Himmel, das gibt es doch nicht. Das ist verrückt! Was habe ich denn in einem Krankenhaus zu suchen, verflixt noch mal?«
»Ich werde es dir erklären, wenn es dir besser geht, Jane. Ganz genau Bescheid weiß ich auch nicht, aber es gibt da schon Dinge, die wir klären sollten.«
Sie runzelte die Stirn. »Das mag alles stimmen, Suko, doch ich möchte noch hier bleiben.«
»Warum?«
Jane lächelte ihn etwas verlegen an, bevor sie mit der flachen Hand gegen ihre Stirn schlug. »Es ist kaum zu fassen, aber ich merke, dass gewisse Dinge zurückkehren. Da schließen sich allmählich Erinnerungslücken.«
»Das ist gut.«
»Meine ich auch.« Jane war trotzdem nicht zufrieden. »Kannst du mir helfen und mir einige Tipps geben? Es ist doch etwas passiert.« Sie wies auf die Dämonenpeitsche, die der Inspektor noch nicht weggesteckt hatte. »Was habe ich damit zu tun?«
»Einiges, Jane. Sie hat dir praktisch geholfen. Da bin ich sehr ehrlich.«
»Ja? Wogegen denn?«
»Du erinnerst dich wirklich an nichts?«
»Nur schlecht. Die nahe Vergangenheit liegt in einem grauen Nebel begraben. Hin und wieder tun sich Lücken auf. Aber damit kann ich nicht viel anfangen.«
»Sagt dir der Name Lukretia etwas?« Suko hatte es auf dem direkten Weg versucht und hoffte auf einen Erfolg. Sie war schließlich das Motiv. Um sie war es gegangen.
Jane gab ihm zunächst keine Antwort. Sie suchte mit ihren Blicken sein Gesicht ab, und Suko wich nicht aus. Er sah die Veränderung in den Augen. Da stieg etwas tief aus den Schächten der Pupillen in die Höhe und vereinigte sich zu einem Wissen, was sich auf die Erinnerung bezog.
»Nun…?«
»Ja«, sagte sie, »ja, jetzt kommt es wieder hoch. Mir ist, als hätte man mir einen Schleier entfernt. Alles klar, Suko. Lukretia ist die Frau mit den silberblonden Haaren. Die aus dem Kino.«
»Ausgezeichnet.«
»Und sie war auch bei mir. Das heißt, sie ist bei Sarah Goldwyn gewesen. In ihrem Haus. Sarah liegt im Krankenhaus und…«, sie verstummte, und das Gesicht blieb starr. »Moment mal«, flüsterte sie. »Ich bin auch in einem Krankenhaus.«
»Exakt, Jane. Du hast Sarah besuchen wollen. Du bist zu ihr gegangen, und dann hat sich einiges verändert, aber davon später mehr. Wie war dein Treffen mit Lukretia?«
Jane musste überlegen. »Normal«, sagte sie dann.
»Genauer.«
Jane zuckte mit den Schultern. »Das ist alles ein wenig kompliziert und trotzdem einfach. Sie kam zu mir. Sie betrat das Haus, und ich spürte sofort, dass sie eine besondere Person ist. Wenig später hat sie mir bewiesen, wie anders sie ist, denn sie küsste mich.« Jane nickte sich praktisch selbst zu.
»Sie küsste mich auf die Lippen, und sie saugte sich sogar daran fest. Es war unglaublich. Einen derartigen Kuss habe ich nie zuvor bekommen, aber er muss für sie sehr wichtig gewesen sein. Unheimlich wichtig sogar.«
»Du hast dich auch
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