1162 - Lukretias Horror-Welt
hineinmanövriert.
Lukretia sprach mich wieder an. »Hörst du es, Sinclair? Hörst du das Pochen?«
»Es ist laut genug.«
»Wunderbar. Das ist unser Motor. Es ist der Keim des Bösen, würdest du sagen. Der Urkeim, der hier in deiner Nähe liegt. Du kannst ihn hören, aber nicht sehen. Und mit jedem Schlag produziert er etwas. Er produziert Gedanken. Andere Gedanken, aber welche, die mir gut gefallen. Es ist der Hass. Es ist das Böse. Es ist das Grausame, das schon seit Beginn besteht.«
»Hast du sie aufgenommen?«
»Ja, diese Gedanken sind etwas Wunderbares. Ich habe sie erhalten. Sie sind für mich bestimmt gewesen, denn ich trete als ihre Vermittlerin auf. Ich bin in der Lage, sie weiterzugeben, und ich habe sie weitergegeben, wie du dich erinnern kannst.«
»An Jane Collins.«
»Richtig, Sinclair. Sie ist zu meiner Botin geworden. Denn sie ist bereits unterwegs, um ihre Gedanken, die auch meine sind, weiter zu vererben.«
Ich dachte an das Krankenhaus und an Lady Sarah. Ich fürchtete mich, ich schwankte zwischen Hoffen und Bangen und entschied mich dann für die Hoffnung.
»Es wird ihr nicht gelingen!«, flüsterte ich. »Nicht bei Lady Sarah Goldwyn. Sie ist einfach zu stark. Sie ist eine Frau, die sich nicht so leicht beeinflussen lässt.«
»Das sagst du, Sinclair. Aber du unterschätzt auch meine Macht und den Einfluss des Gehirns. Die Urzeit lebt, und sie lebt nicht einmal weit von dir entfernt.«
»Dann zeig sie mir!«
Lukretia lachte mich an. »Dass du so reden würdest, habe ich mir gedacht. Es ist möglich, dass ich dir alles zeigen werde. Aber dann werden die Dinge so laufen wie ich es will. Bisher kann ich zufrieden sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell an dein Grab bekommen würde.«
»Grab?«, wiederholte ich. »Tut mir leid, doch dafür fühle ich mich noch zu jung.«
»Das haben andere vor dir auch gesagt und es nicht geschafft. Das alte Wort hat Bestand. Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich, John. So ist das Leben…«
Bisher hatte ich nichts unternehmen können. Trotzdem war ich schon einen Schritt weitergekommen. Wie schon von mir gedacht, lagen die Dinge etwas anders. Hinter Lukretia stand eine große Macht. Ein Gehirn oder wie auch immer. Etwas, das in der Erde vergraben war und immer wieder pochte. Es sandte seine Energien aus, die andere Menschen treffen sollten. Sicherlich auch mich.
Nur hatten sie bei mir keinen Erfolg gehabt. Ich spürte auch nichts Fremdes in mir hochsteigen, sondern hörte nur die pochenden Geräusche, die mein Verhalten beeinträchtigten.
»Willst du mich weiterhin mit deiner Lampe blenden?« fragte ich. »Oder können wir vernünftig reden?«
»Reden?«
»Es wäre nicht schlecht.«
»Ja, Sinclair, wir werden reden. Aber erst, wenn ich es für richtig halte. Wir haben ja Zeit. In einer Stunde ist bestimmt alles vorbei. Noch musst du dich gedulden. Und solltest du daran denken, eine Waffe zu ziehen, so rate ich dir davon ab. Diejenige, die eine Waffe in der Hand hält, bin ich.«
Das glaubte ich ihr unbesehen. Es war für sie sogar leicht gewesen, Jane die Beretta abzunehmen.
Die Detektivin tat alles, was diese Person hier wollte, und so fragte ich mich, ob auch ich in diesen Zustand hineingeraten sollte.
Darauf hoffte Lukretia. Bei mir würde sie es nicht so einfach haben. Sie wusste selbst, dass mein Kreuz das große Hindernis war, das erst überwunden werden musste.
Sie hielt den Mund. Bestimmt hatte sie Gründe dafür. Die Pochgeräusche waren auch nicht mehr so laut zu hören. Das gesamte Gebilde musste sich zurückgezogen haben.
Ich wartete darauf, dass Lukretia ihr Versprechen einlöste. Allmählich verloren meine Glieder die Geschmeidigkeit. So starr zu stehen war auch nicht meine Sache, und so veränderte ich meine Haltung. Ich schob das rechte Bein zur Seite und wollte meinen Arm ausschlenkern, als mich der scharfe Befehl erreichte.
»Lass es! Es sei denn, du willst eine Kugel in deinen verdammten Schädel bekommen!«
»Schon gut. Nur…«
»Kein nur, Sinclair, kein nur! Es geht um etwas anderes. Sei still und hör zu.«
Etwas anderes war mir sowieso nicht möglich. Wenn ich nur falsch mit den Wimpern zuckte, fing ich mir eine Kugel ein. Was sie mit dem erneuten Zuhören gemeint hatte, erfuhr ich wenig später, denn ich hörte noch ein zweites Geräusch, das allerdings nicht so gleichmäßig klang wie das ungewöhnliche Pochen.
Es hatte auch nichts damit zu tun, denn es entpuppte sich als ein
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