1164 - Die Wolfsfrau
gehört, die praktisch auf der Straße lebten. Dort musste sie in die Gewalt eines Blutsaugers hineingeraten sein.
Eine kleine Spur gab es trotzdem. In ihrer Tasche hatten wir eine Annonce gefunden, dessen Text auf einen Mann hinwies, der sich Beau Leroi nannte. Mir war er zunächst unbekannt, aber ich hatte einfach nicht aufgegeben. In Rumänien lebte ein alter Freund von mir. Frantisek Marek, der Pfähler.
Wenn jemand über Vampire etwas wusste, dann war er es. Er verfolgte sie nicht nur mit seinem wahnsinnigen Hass, er war auch jemand, der Namen kannte und bei dem die Geschichte der Vampire kein weißer Fleck auf der Karte war.
Von ihm erfuhr ich mehr.
Beau Leroi war ein Vampir-Galan gewesen. Er hatte in der Belle Epoque gelebt und war in den Salons der Pariser Gesellschaft zu Hause gewesen. Dort waren ihm die Frauen reihenweise zu Füßen gefallen, und er hatte dies weidlich ausgenutzt.
Ihr Blut hielt ihn am Leben!
Aber er dachte gar nicht daran, seine Bräute als Vampirinnen durch die Gegend laufen zu lassen.
Sein Bestreben war etwas anderes. Nachdem er sich an ihrem Blut gelabt hatte, brachte er sie auf schreckliche Art und Weise um.
Menschen hatten in irgendwelchen Verstecken die Überbleibsel der verschwundenen Frauen gefunden und sich natürlich an Beau Leroi und seine galanten Machenschaften erinnert. Er war plötzlich zu einem Feind geworden, den man jagen musste.
Es hatte keinen Sinn gehabt. Leroi war schlauer gewesen und hatte das Land längst verlassen.
Gut 100 Jahre später war er wieder erschienen. Ausgerechnet in London.
Ich wusste also von ihm, aber ich wusste nicht, wo ich ihn suchen sollte. Bis mich der Anruf meines Freundes Bill Conolly erreicht hatte. Die Menschen im Hochmoor hatten von einem Fremden gesprochen, und Bill war zudem von einer dunklen, totenbleichen Gestalt brutal niedergeschlagen worden.
Es stand für mich noch nicht hundertprozentig fest, aber ich ging davon aus, dass es dieser Beau Leroi war. Da vertraute ich einfach auf mein Glück.
Auch Suko hatte ich überzeugen können. Er wusste ebenfalls über die Gräueltaten dieser Gestalt Bescheid und fragte mich mehr als einmal, welcher Sinn dahinter steckte, dass jemand wie Leroi zuerst zubiss und seine Opfer dann umbrachte.
»Egoismus, Suko. Der reine Egoismus. Etwas anderes kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Das sind völlig neue Perspektiven. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die Blutsauger ihren Keim weitertragen wollen, um so viele Wiedergänger zu produzieren wie möglich. Davon müssen wir wohl bei ihm Abstand nehmen.«
»Du sagst es.«
Da Suko fuhr, konnte ich mich mit meinem Kaffee beschäftigen. Die kleine Thermoskanne hatte ich zwischen meine Beine gestellt. Der Deckel diente zugleich als Becher. Ich kippte von dem heißen Kaffee hinein und trank ihn in kleinen Schlucken.
Die Welt hatte sich bereits verändert. Der Kampf am Himmel war vorbei. Das helle Licht des Tages hatte die Düsternis der Nacht vertrieben. Wie eine breite Wand der Hoffnung war die Morgenröte aus den dunklen Untiefen in die Höhe gestiegen und hatte ihr Band im Westen über den Himmel ausgebreitet.
Es war ein wunderschönes Bild, als auch die letzten grauen Schatten vertrieben wurden und der Himmel plötzlich von hellen Sonnenstrahlen ausgeleuchtet wurde.
Im Radio hatten wir einige Male den Wetterbericht für den Tag gehört, der so sonnig anfing, dann aber - aufgrund der Schwüle - in ein gewittriges Finale überging, damit Himmel und Erde in einem Chaos aus Regen, Donner und Blitz versinken konnten.
Bis zum Nachmittag sollten wir Zeit haben. Davon war jetzt noch nichts zu sehen. Stattdessen hatte die Sonne ihren Teppich über die Landschaft ausgebreitet, die allmählich zu einer hohen Ebene anstieg, in der sich auch das Hochmoor befand.
Es war eine Landschaft, die nicht jeder mochte. Sehr karg. Nicht lieblich. Auch nicht dicht bewaldet. Dafür fiel der Blick über weite, flache, mit Wollgras, Farnen und Buschwerk bewachsene Flächen, die scheinbar endlos von einem Horizont bis zum anderen reichten.
Es war die Gegend für Individualisten. Für Einzelgänger, die mit sich, ihren Gedanken und der Natur allein sein wollten. Ich konnte mir auch schlecht vorstellen, dass es hier einen großen Unterschied zwischen Tag und Nacht gab, was den Verkehr anging. Die Fahrzeuge, die uns in dieser Gegend begegneten oder die wir überholten, konnten wir an einer Hand abzählen.
Es waren auch kaum Menschen zu sehen in
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