1169 - Satans Kind?
schrie und weinte zugleich. Kreischende Laute jagten durch die Zelle, während Muriel mit beiden Fäusten auf die durchgelegene Matratze trommelte, als wäre sie genau der Gegenstand, an dem sie sich abreagieren konnte.
Muriel hatte etwas erlebt, was es nicht gab. Auch nicht geben konnte. Als sie nach einer Zeit wieder in die Normalität zurückkehrte und sich hingesetzt hatte, fiel ihr Blick als erstes auf das noch immer offen stehende Fenster.
Es war kein Gitter mehr vorhanden. Nichts, einfach nur die Öffnung. Und genau das würde sie den Verantwortlichen hier im Knast erklären müssen. Sie wusste schon jetzt, dass man ihr kein Wort glauben würde…
***
Es roch nach Kaffee. Es roch nach Zusätzen wie Vanille und Amaretto. Ich hörte das Zischen der Maschine, trank selbst meinen Kaffee in kleinen Schlucken und aß ein Croissant dazu, das mit gekochtem Schinkenbelegt war.
Ich hielt mich nicht als einziger in diesem Coffee Shop auf. Die Dinger waren in den letzten beiden Jahren in geworden. Sie hatten die guten alten Cafés abgelöst. Nicht nur in London, sondern in zahlreichen anderen Großstädten Europas auch. Große Kaffeeproduzenten hatten die Trends ebenfalls erkannt, richteten die Shops ein und verpachteten sie.
Die Einrichtung war meist gleich. Weiche Farben in verschiedenen Brauntönen sollten die Menschen immer daran erinnern, was sie hier zu trinken bekamen. Die Mädels, die bedienten, waren topfreundlich. Sie trugen zumeist die Uniformen der Firmen, für die sie arbeiteten. In meinem Fall waren das brombeerfarbene Kostüme, über die neckische Schürzen gebunden waren.
Ich hatte mir einen sehr großen Kaffee bestellt und nahm so etwas wie ein zweites Frühstück ein.
Nicht nur der kleine Hunger oder der Wunsch nach Kaffee hatte mich aus dem miesen Wetter in diesen Shop hineingetrieben, es gab einen anderen Grund.
Er war blond, besaß blaue Augen, und ich kannte ihn schon sehr lange.
Es ging um Jane Collins, die mich um dieses Treffen gebeten hatte. Den eigentlichen Grund wusste ich nicht, aber als rein privat konnte ich es nicht ansehen, denn Jane hatte am Telefon von einem Problem gesprochen.
Ich war entsprechend gespannt, aber nicht begeistert, denn die letzten Probleme lagen noch nicht lange zurück. Da war es um die Geliebte eines Dämons gegangen und um ein Spiel, das eine Kreatur der Finsternis nach den Regeln der Hölle aufgezogen hatte. Letztendlich waren Jane, Suko und ich die Spielverderber gewesen. Und jetzt war Jane also wieder über einen Fall gestolpert, der auch mich anging.
Klar, wir arbeiteten öfter zusammen. Das Schicksal hatte sich so gefügt, dass sich unsere Fäden immer wieder trafen. Auf der anderen Seite ging Jane auch ihrem Job als Detektivin nach. Und gerade da war sie öfter über Fälle gestolpert, die dann für mich ebenfalls interessant wurden. Ich konnte mir vorstellen, dass es auch diesmal so ablief.
Da Jane nur mich hatte sprechen wollen, war Suko im Büro geblieben. Was ihm auch ganz lieb war, denn bei diesem Wetter durch London zu fahren, war alles andere als ein Vergnügen. Es regnete Bindfäden, es war windig, hinzu kam die Kälte, und das erlebten wir nicht im November, sondern im Juli des Jahres 2000. Da schien sich der Wettergott für das neue Millennium nicht eben etwas Menschenfreundliches vorgenommen zu haben.
Ich stand mit dem Rücken zur Wand und konnte gegen die breite Scheibe des Shops schauen. Dahinter bewegten sich die Menschen und hielten Schirme in den Händen, auf die die schweren Tropfen klatschten wie die wirbelnden Trommelstöcke eines Drummers.
Auch in diesen Wänden war die Feuchtigkeit zu riechen. Sie wurde von den Gästen mit hereingebracht, die ständig über das Wetter fluchten und so rasch wie möglich ihre heißen Getränke bestellten.
Auch mir gefiel das Wetter nicht unbedingt. Aber lieber Regen als die perverse Hitze, die im Süden Europas herrschte und Menschen schon hatte sterben lassen. Im Regen war noch niemand ertrunken.
So hat eben jedes Ding zwei Seiten.
Mein Croissant hatte ich gegessen. Es war frisch gewesen, nicht zu ölig und hatte mir eigentlich Appetit auf mehr gemacht. Ich kam zunächst nicht dazu, mir ein zweites zu bestellen, denn vor dem Eingang erschien eine Frau im hellen Sommermantel. Sie klappte ihren Schirm zusammen, drehte sich der Tür entgegen, betrat den Shop, drückte den Schirm in den überfüllten Ständer und schaute sich um.
Ich winkte Jane zu.
Sie kam schnell auf meinen Stehtisch zu.
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