1176 - Der unheimliche Leichenwagen
eine gewisse Zeitspanne hinweg einige hatte verschwinden lassen. Er war dafür von einem obskuren Institut gut bezahlt worden. Was mit den Toten dort geschah, interessierte ihn nicht. Man hatte ihm erklärt, dass sie für Forschungen gebraucht wurden. Damit hatte sich Victor zufrieden gegeben.
Und jetzt dieser andere.
Mit einem Namen hatte er sich vorgestellt, den es nicht mehr geben durfte. Valentin Rossiter!
Das war wie ein Fluch, der aus der Hölle der Vergangenheit aufgestanden war. Etwas Schreckliches und auch zugleich Unvorstellbares. Es widersprach allen Gesetzen der Logik, und Rossiter glaubte auch nicht an Geister.
Er hatte sich bereits festgelegt. Für ihn war es nichts anderes als eine miese Erpressung. Irgendjemand hatte von seinen Leichengeschäften erfahren und wollte ihn jetzt fertig machen.
Soweit wollte es Victor Rossiter nicht kommen lassen. Nicht grundlos hatte er seine Mossber-Flinte mitgenommen. Als Jäger war er in der Lage, perfekt damit umzugehen, und sollte ihm der Erpresser gegenübertreten, würde er ihm Stoff geben, das stand fest.
Dennoch hatte er Angst. Die Waffe gab ihm auf der Fahrt keine Sicherheit. Er fürchtete sich vor einem Feind, den es nicht geben konnte. Ein Fluch aus der Vergangenheit. Einer, der noch lebte, obwohl er längst hätte verschwunden sein müssen.
Valentin Rossiter!
Jeder aus dem Clan kannte die unselige Geschichte. Sie war schrecklich, sie war grausam. Sie war eine Tragödie schlimmsten Ausmaßes, die man am besten vergaß, aber nicht vergessen konnte, weil sie plötzlich durch den Anruf so echt und präsent geworden war. Dieser Anrufer mit seiner verfluchten Flüsterstimme wusste so viel, er kannte ihn, er war über alles informiert, und dann kam noch etwas hinzu, was Victor völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Noch jetzt wunderte er sich darüber, dass es ihm gelungen war, die Beherrschung zu bewahren, als plötzlich die beiden Polizisten im Hof abermals erschienen waren.
Nein, die Typen hatten nicht mehr nach den verschwundenen Leichen gefragt, sondern nach Valentin Rossiter.
Für Victor ein Unding!
Wie konnten die beiden von ihm wissen? Möglicherweise sogar von dem Anruf, doch das hatten sie für sich behalten. Aber Victor glaubte ihnen nicht. Die hatten ihm nicht alles gesagt. Wenn sie schlau waren, würden sie erkennen, dass die Sache mit der Jagd nicht stimmte und nur eine Ausrede gewesen war.
»Verdammter Mist!«, flüsterte er vor sich hin. »Das… das… ist alles so verdreht…«
Es war der harmlose Ausdruck dafür. Es war nichts verdreht, sondern einfach nur kaputt. Seine Welt hatte plötzlich Risse bekommen. Aus ihnen strömten Probleme, die er tief versteckt in der Vergangenheit gewähnt hatte, die aber plötzlich wieder präsent waren.
Er blies den Atem gegen die Windschutzscheibe und hörte plötzlich das schrille Hupen wie einen scharfen Sirenenklang. Im letzten Augenblick schaute er hoch, und im letzten Augenblick schaffte er es, dem entgegenkommenden Wagen auszuweichen. Es war ein Lebensmitteltransporter, der in Richtung Langster fuhr und plötzlich wie ein mächtiges Gespenst in einer Kurve aufgetaucht war.
Sie passierten einander, und der rasende Puls des Mannes beruhigte sich wieder, auch wenn nach wie vor Schweiß aus seinen Poren drang.
Er fuhr weiter und rollte so durch eine Gegend, die er wie seine Westentasche kannte. Nie zuvor hätte er daran gedacht, dass er diese Strecke mal mit einem verdammten Gefühl der Angst fahren würde. Der Asphalt war völlig normal, doch manchmal kam er ihm vor, als wäre er mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Aber es lag einzig und allein an seiner eigenen Fahrweise, dass er den Jeep nicht mehr gerade auf der Straße halten konnte.
Auch das Wetter passte zu seiner Stimmung. Der Himmel hatte sich noch mehr verdunkelt. Wolken schoben sich in- und übereinander und bauten ein mächtiges Gebilde auf.
Keine Sonne mehr. Dafür tiefe Schatten, die der Abend mit sich brachte. Manchmal wurde es schon sehr früh dunkel, selbst im August, und an diesem Tag war es wieder der Fall. Da hatte sich die Sonne nicht blicken lassen.
Auch rechts und links der Straße bauten sich Schatten auf. Auf der einen Seite durch das dichte Buschwerk und auf der anderen durch die hohen Bäume. Manchmal trafen sich diese bizarren Gebilde mitten auf der Straße und machten sie noch dunkler.
Es gab eine gefährliche Kurve auf der Strecke. Sie war von beiden Seiten schlecht zu befahren, und Rossiter ging vom
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