1206 - Das Blut der schönen Frauen
weitergegangen waren, doch diese Hoffnung brach schnell zusammen, denn die Klinke wurde langsam nach unten bewegt.
Dann lief alles blitzschnell ab. Alexandra schaltete einfach ab. Sie wollte auch nicht mehr nachdenken. Der einzige Weg, der ihr blieb, war die Flucht in den Garten.
Die Tür flog auf, und sie sprang…
***
In der knappen Zeitspanne von der Fensterbank bis hin zum Boden überfiel sie schlagartig die Angst. Jetzt fürchtete sie sich davor, falsch aufzukommen und sich eine Verstauchung oder sogar einen Bruch zu holen. Wenn das passierte, war sie verloren. Dann würden die beiden leicht an ihr Blut herankommen.
Sie prallte auf! Es gab einen dumpfen Laut, als die Füße die doch recht weiche Erde berührten. Die Landung drückte sie in die Hocke, dann warf sie sich nach vorn. Beide Hände rutschten über die mit Gras bewachsene, feuchte Erde. Sie schlitterte gegen einen weichen Widerstand, wahrscheinlich ein Gebüsch, und plötzlich war die Freude darüber da, dass sie es geschafft hatte.
Alexandra krabbelte auf Händen und Füßen über den Boden hinweg, bis sie das Gefühl hatte, einen recht sicheren Platz erwischt zu haben, an dem sie liegen blieb, tief geduckt und den Atem anhaltend.
In ihrer Umgebung war es still. Trotzdem hörte sie einige Geräusche, die dumpf an ihre Ohren klangen. Es war nur der eigene Herzschlag, der für die Echos in den Ohren sorgte, ansonsten blieb ihre Umgebung ruhig.
Das Haus befand sich hinter ihrem Rücken. Um zum Fenster hochzuschauen, musste sie sich drehen. Sie tat es sehr langsam und blieb dabei auf Händen und Knien.
Der Blick streifte die Fassade. Sie war nicht überall dunkel.
Auch unten waren einige Fenster erhellt, aber weiter oben gab es nur ein helles Fenster.
Aus ihm war sie gesprungen, und dort zeichneten sich jetzt die Umrisse ihrer Verfolgerinnen ab.
Alexandra hielt den Atem an. Im Licht sah sie die beiden viel deutlicher. Ihr erster Eindruck erhielt eine Bestätigung. Die beiden waren noch sehr jung. Man hätte sie beinahe als Mädchen bezeichnen können. Die Zwanzig hatten sie bestimmt noch nicht erreicht. Eine besaß dunklere Haare. Sie waren an der Vorderseite fransig geschnitten, als hätte ein Friseur noch geübt.
Die Haare der zweiten Person waren heller, zeigten aber einen ähnlichen Schnitt, als wollten die beiden bewusst gleich aussehen und dokumentieren, dass sie zusammengehörten.
Eines hatten sie jedoch gemeinsam. Sie hatten die Münder weit aufgerissen. Sie präsentierten ihre Zähne, ihre Gebisse, und darüber war Alexandra zunächst verwundert.
Warum taten sie das? Die beiden ließen ihr sogar Zeit, weiterhin darüber nachzudenken, denn sie bewegten sich nicht vom Fenster weg.
Nur ihre Köpfe drehten sich, weil sie den Garten absuchten. Dabei schlossen sich ihre Münder nicht, und es fiel der im Gebüsch hockenden Deutschen noch etwas auf.
Vor den Lippen entstand kein sichtbarer Atem. Bei diesen tiefen Temperaturen unmöglich. Der hätte zu sehen sein müssen, denn es war auch hell genug.
Alexandra dachte in diesen Sekunden weniger an sich als an die beiden am Fenster. Es war für sie normal nicht erklärbar, dass sie die Wolken vor den Lippen nicht sah. Jeder Mensch musste atmen, auch jedes Tier. Das war eben so.
Aber die beiden nicht…
Etwas rastete in Alexandras Kopf ein. Es war eine verrückte, beinahe schon widersinnige Schlussfolgerung, aber sie stand im Zusammenhang mit dem Gehörten. Da hatten die beiden Frauen von Blut gesprochen, auf das sie scharf waren.
Das Blut eines Menschen! Und wer wollte daran? Es gab für Alexandra nur eine Antwort. Normale Menschen nicht. Nur Vampire.
Der Gedanke daran schockte sie. Sie hatte plötzlich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Etwas schlug hart von innen her gegen ihre Stirn. Sie wollte lachen, auch das blieb ihr im Hals stecken.
Alles war plötzlich auf den Kopf gestellt worden, und sie traute ihren eigenen Schlussfolgerungen nicht.
So etwas konnte nicht sein. Nicht in der normalen Welt.
Vampire gehörten ins Reich der Fabel und der bösen Märchen oder Gruselgeschichten.
»Nein!«, flüsterte sie. »Ich habe mich geirrt. Ich muss mich geirrt haben…«
Es war niemand da, der die eine oder andere Theorie bestätigte, und so konzentrierte sie sich wieder auf das besetzte Fenster.
Die beiden suchten etwas. Sie schauten in verschiedene Richtungen.
Es lag auf der Hand, wen sie suchten. Da machte sich Alexandra keine Gedanken. Solange die beiden dort
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