1209 - Die Pest-Gitarre
besaß einfach nicht die Kraft. Stück für Stück schob ihn das Wesen, das so nach normalen Maßstäben gar nicht existieren durfte, zurück. Es gab ein Ziel. Die Tür hatte Pee noch nicht richtig geschlossen, und genau durch diesen menschenbreiten Eingangsspalt würde Garky passen.
Rahim wollte ihn nicht mehr im Wagen haben. So sehr sich der Mann auch bemühte, eine Chance hatte er nicht. Er musste zurück.
Noch einen letzten Blick warf er Pee zu. Der Musiker rührte sich nicht vom Fleck. Er sah nur Garkys Gesicht. Er las die Qual darin, und er schüttelte den Kopf.
Garky trug selbst die Schuld an seiner Lage. Er hätte ihn in Ruhe lassen sollen, dann wäre alles okay gewesen. So aber wurde er Schritt für Schritt zurückgedrückt, noch immer eingehüllt durch das Geisterlicht, das seiner Haut eine so andere Farbe gab. Es war nicht durch sie, die die Haut veränderte.
Die zuschauende Fee glaubte auch, die dunklen Flecke zu sehen, die sich an verschiedenen Stellen gebildet hatten.
Anzeichen der magischen Pest? Würden aus diesen Flecken Beulen werden und danach Geschwüre, die platzten? Es war alles möglich, aber es war nichts entschieden. Noch hatte Garky den Ausgang nicht erreicht.
Er drehte auch den Kopf, er wollte dabei abschätzen, wie weit er noch entfernt war und musste einsehen, dass er keine Chance hatte.
Seine Hände schafften es nicht, sich von der Gitarre zu lösen, die sogar von einem Regen aus Funken umsprüht wurde. Er schüttelte den Kopf und begann zu schreien.
Es waren seine letzten Schreie innerhalb des Wagens. Der nächste Schub brachte ihn so dicht an den Ausgang heran, dass er nach hinten kippte.
Dann fiel er hinaus! Sein Schrei gellte durch die Stille der Nacht. Die Gitarre hatte sich von seinen Händen gelöst. Sie wurde von Rahims Händen gehalten. Der unheimliche Wiedergänger schaute nur kurz nach draußen, bevor er sich drehte.
Pee und er standen sich gegenüber.
Normalerweise hätte sich der Musiker vor der halb verwesten Gestalt fürchten müssen, aber das passierte nicht. Für ihn war er der Retter. Er war der Mann, auf den er sich freuen konnte, denn er beschützte sein Leben.
Rahim reichte ihm das Instrument. Pee nahm seine Gitarre entgegen.
Und dabei durchströmte ihn ein Gefühl der Wärme.
Seine Angst war verschwunden. Als seine Hände das Instrument umklammerten, da hatte er für einen kurzen Augenblick das Gefühl, unbesiegbar zu sein und über sich selbst hinauswachsen zu können.
»Sie gehört noch immer dir!«, hörte er wieder die fremde Stimme in seinem Kopf.
»Danke.«
»Halte sie in Ehren. Spiele auf ihr, wenn es nötig ist. Werde mein Nachfolger.«
Pee nickte. Das Instrument wog schwer in seiner Hand. Er stellte es mit der unteren abgerundeten Seite auf den Boden und schaute seinem Mentor nach, der sich umgedreht hatte und wegging. Wieder blendete ihn für einen Moment das seltsame Licht, dann fraß er Rahim auf und ließ ihn verschwinden.
Allein blieb Pee zurück…
Er dachte darüber nach, dass er noch lebte und Garky es nicht geschafft hatte, ihm die Kehle durchzuschneiden.
Wem hatte er das zu verdanken? Nicht sich selbst. Nicht seiner eigenen Kraft. Das gab er schon zu. Nein, einzig und allein der wundersamen Gitarre, die für ihn so etwas wie ein Leibwächter war. Es war zu einer echten Braut geworden, die er in einem plötzlichen Anfall an sich drückte. Auch das Lachen konnte er nicht mehr zurückhalten.
So stand er da - die Gitarre umarmend - und lachte. Er lachte, bis ihm die Tränen kamen. Es war kein Lachen, wie man es sonst von ihm kannte. Nicht fröhlich, nicht echt, sondern hart und beinahe schon bösartig.
Schlagartig brach es ab! Pee holte tief Luft. Er empfand eine wilde Freude. So konnte nur jemand denken und handeln, der sich unbesiegbar fühlt. Er sah die Zukunft mit ganz anderen Augen. Ihm standen wunderbare Jahre bevor. Die Gitarre machte es möglich. Sie war nicht nur sein Instrument, auf dem er spielen konnte, um die Fans zu begeistern, nein, er sah sie auch jetzt als seinen Schutzengel an, denn sie stand in Verbindung mit dem alten Rahim.
Sie brachte seinen Feinden den Tod. Sie brachte die magische Pest über sie, aber sie hatte auch Ruby Längster vernichtet.
Daran dachte Pee ebenfalls. Nur trauerte er nicht um sie. Auf seinem weiteren Weg durfte es keine Hindernisse geben.
Letztendlich trug Ruby selbst die Schuld an ihrem Schicksal.
Hätte sie die Gitarre nicht genommen, wäre ihr nichts passiert.
Seine Schritte
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