121 - Das Scheusal aus dem Nichts
verloren hatte.
In der Hauptstraße des Ortes, in der er fuhr,
gab es eine Bank, zwei Gasthäuser, eine Metzgerei und Bäckerei. Genau in einem
Eckhaus wohnte ein Arzt.
Die Praxis war noch nicht geöffnet. Larry
klingelte Sturm. Eine Frau, Anfang fünfzig, noch im Morgenmantel, öffnete.
„Ich habe eine Schwerkranke im Wagen. Sie
benötigt sofort ärztliche Hilfe. Ist Doktor Menger zu Hause?“ Den Namen hatte
er auf dem Türschild gelesen.
„Ja, natürlich. Was ist denn passiert?“
Es hatte keinen Sinn, der Frau des Arztes
Einzelheiten zu sagen. Larry holte Steffanie aus dem Wagen und trug sie über
die fünf steinernen Stufen ins Haus.
Dr. Mengers Frau sah die zerstörten Hände und
zuckte merklich zusammen.
„Wie ist das passiert?“ fragte sie leise,
während sie die Tür ins Behandlungszimmer öffnete.
„Wir wissen es nicht.“ Es wäre unsinnig
gewesen, dieser Frau jetzt etwas von einem Schleimwesen zu erzählen, das diese
schrecklichen Wundmale auf Steffanies Händen und Unterarmen hinterlassen hatte.
Der Prozeß war fortgeschritten. Die Finger waren jetzt nur noch winzige Kuppen
und ragten als faulige Auswüchse aus dem Handteller. Vom Daumen war überhaupt
nichts mehr zu sehen. Von der anderen Hand war außer einem mit dünner Haut
überspannten, halbrunden Knochengerüst des Handtellers nichts weiter übrig
geblieben. Die Armbanduhr an der Linken rutschte hin und her. die Uhr selbst
hing in einer breiigen, nässenden Wunde, als würde sie von innen aus dem Arm
herauswachsen.
„Kommen Sie bitte hier herein“, sagte die
Frau bleich. „Mein Mann kommt sofort.“
Dr. Menger hatte sein Frühstück noch nicht
beendet, und trug auch seinen weißen Arztkittel noch nicht. Noch an einem
Brotrest kaufend, trat er durch eine Verbindungstür ins Behandlungszimmer.
Menger war ein behäbiger Mann mit Bauch,
breitem Gesicht und einem Mund, der immer zu lächeln schien.
Larry mußte draußen warten. Frau Menger
assistierte ihrem Mann. In dieser kleinen Dorfpraxis lohnte sich keine
Sprechstundenhilfe. Sie besorgte die Buchhaltung und war auch gleichzeitig
seine Helferin.
Nach einer Viertelstunde kam der Arzt aus dem
Behandlungsraum. Seine Miene war ernst, sein Mund lächelte. Ein seltsames Bild.
Er schloß die Tür hinter sich. „Wie ist es
passiert? Ich habe ähnliche Verletzungen nie zuvor in meinem Leben gesehen. Was
sind das für Ätzungen?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie auf der
Straße aufgelesen und sofort hierhergebracht.“
„Merkwürdig.“ Er griff zum Telefon.
„Ich kann nichts für sie tun. Sie muß in eine
Klinik. Es muß amputiert werden. Vorausgesetzt, daß das etwas hilft. Die Zellen
sterben sehr schnell ab. Man kann den Vorgang mit bloßem Auge beobachten.
Hoffentlich kann man es stoppen. Das ist ja furchtbar.“ Er wählte eine Nummer
und sprach mit einem gewissen Rolf. Offenbar ein Kollege aus seiner >
Studienzeit, der in einer Hamburger Klinik tätig, und dort ein hohes Tier war.
„Mit dem Auto? Ausgeschlossen!“ fügte Menger
nach seiner ausführlichen Darstellung hinzu. „Jede Minute ist kostbar. Sorg’
dafür, daß ihr sie mit einem Hubschrauber abholt. Sonst kann ich für ihr Leben
nicht mehr garantieren.“
*
Den Hubschrauber stellte die Bundeswehr zur
Verfügung. Er landete auf einer Wiese direkt am Ortseingang. Dort warteten
Larry Brent und Dr. Menger.
Als der Hubschrauber in die Luft stieg und
rasch an Höhe und Schnelligkeit gewann, blickten X-RAY-3 und der Arzt dem
entschwindenden Luftfahrzeug nach.
„Halten Sie mich bitte auf dem laufenden,
Doktor“, bat Larry. „Ich werde Sie im Lauf des Tages noch mal anrufen. Es ist
nicht ausgeschlossen, daß ich sogar heute einen Blick zu ihr reinwerfe. Ich
habe tagsüber in Hamburg zu tun. Sagen Sie Ihrem Kollegen dort Bescheid, damit
man mich zu ihr läßt.“
„Sie haben großes Interesse an ihr. Ich
dachte, Sie kennen sich nicht?“ ..
„Stimmt. Aber es gibt einen bestimmten Grund,
weshalb ich an der Entwicklung ihres Schicksals interessiert bin. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß in der nächsten Zeit noch mehr solcher rätselhaften
Verätzungen auftreten. Ich hoffe, daß es nicht so weit kommt oder nicht noch
Schlimmeres passiert.“
„Sie wissen also doch mehr ...“
„Wissen nicht, aber ich habe eine Ahnung. Es
ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Später, Doktor Menger! Ich werde Ihnen
alles erklären, das verspreche ich Ihnen. Vorausgesetzt, daß ich die
Gelegenheit dazu
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