1220 - Gefangen im Hexenloch
menschenleer war, irgendwie unheimlich. Wie von allen guten Kräften verlassen, um dem Platz zu schaffen, was sich ansonsten versteckt hielt und von den Menschen höchstens geahnt werden konnte.
Eine andere Macht, eine andere Kraft, ein gefährliches Fluidum, das auch die Natur unter seine Kontrolle bekommen hatte. Denn die Natur wuchs hier sehr üppig.
Es lag wohl auch an der Feuchtigkeit, dass die Pflanzen so wuchern konnten. In meiner unmittelbaren Umgebung war der Boden asphaltiert worden, er diente zudem als Parkplatz, aber rechts und links des Geländes und vor allen Dingen jenseits des Baches breitete sich der Wald in diesem sehr engen Tal aus.
Sicherlich gab es Menschen, die hier Platzangst bekamen, denn die hohen Bäume engten das Tal noch mehr ein. Ich hatte Mühe, den Himmel zu sehen, weil das ausladene Astwerk störte.
Hinzu kam, dass sich die Sonne nach diesem herrlichen Tag wieder zurückgezogen hatte, aber die Wärme des Tages leider nicht, denn sie war nicht aus diesem Loch verschwunden. Die Felswände schienen sie festgehalten und in Schwüle umgewandelt zu haben.
Es roch nach einem Gewitter. Aus den Nachrichten wusste ich, dass für den Abend zumindest welche angesagt worden waren. Der Wind hatte gedreht. Er wehte jetzt aus südlicher Richtung und transportierte die schwüle Luft.
Am Himmel war die Klarheit verschwunden. Dort hatten sich die Wolken bereits zu grauen Paketen zusammengefunden, die sich kaum bewegten und wie schwerfällige Boote wirkten.
Der Kiosk neben der Mühle sah nicht nur verlassen aus, er war es auch. Eine abgeschlossene Tür, geschlossene Fenster, in denen die Waren zu sehen waren und man vor lauter Uhren den eigentlichen Blick für die Zeit verlieren konnte.
Auch an der Rückseite entdeckte ich keinen Eingang. Aber ich wurde bei jedem meiner Schritte vom Rauschen des schnell fließenden Bachwassers begleitet.
Als ich wieder auf den Parkplatz zurückkehrte, fiel mein Blick automatisch auf den abgestellten Omega. Bis hierher war Freund Harry gekommen. Aber wo steckte er jetzt? Ich wusste es nicht, doch mir war klar geworden, dass sich Dagmar Hansen nicht geirrt hatte. Harrys Verschwinden war nicht mit rechten Dingen zugegangen. Hier hatte jemand daran gedreht, und zwar vermutlich der Gleiche, der die Familie hatte verschwinden lassen. Auch das wusste ich von Dagmar, denn Harry hatte sie in seinen Fall eingeweiht.
Ich kannte den Namen Helm. Der Vater, Boris Helm, war so etwas wie ein Kollege meines Freundes. Zumindest gehörte er zu den Geheimnisträgern. Sein Abtauchen und das seiner Familie konnte natürlich nicht so einfach hingenommen werden.
Aber auch Harry war weg. Verschwunden im Hexenloch.
Freiwillig war es dazu sicherlich nicht gekommen. Man musste Harry in eine Falle ge lockt haben, und zwar hier, davon ging ich aus.
Wer?
Natürlich die Hexe!
Eine Antwort, die mir persönlich einfach zu vage war. Die ich schlecht akzeptieren konnte. Was immer man sich unter Hexen vorstellte, vieles entsprang der Fantasie, einiges aber traf genau zu, und so waren die alten Vorstellungen der Menschen tatsächlich zur Wahrheit geworden, denn ich hatte nicht zum ersten Mal mit Hexen zu tun, die den Beschreibungen entsprachen, die man aus alten Büchern oder von alten Holzstichen kennt. Da hatte dann die Hölle persönlich eingegriffen und die Hexen so geschaffen, dass die Menschen sich bestätigt fühlten.
Allerdings gab es auch andere. Moderne Hexen oder Heidinnen, die ganz nach ihren Regeln lebten, mit der Natur eins sein wollten, ihre Rituale durchführten und nach dem Grundsatz lebten: Tu, was du willst, aber schade keinem.
Auch diese Frauen kannte ich. Ich war mir sicher, in Zukunft mit ihnen zu tun zu bekommen, und wahrscheinlich würde ich mich auch auf ihre Seite schlagen müssen, weil es eine Person gab, die an ihnen großes Interesse zeigte.
Es war die Vampirin Justine Cavallo. Eine Person, die sich mit Dracula II, dem König der Blutsauger, zusammengetan hatte. Sie wollten ihre Armee vergrößern, mehr Einfluss gewinnen, und hatten sich ausgerechnet die modernen Hexen ausgesucht.
Einen ersten schwachen Angriff hatte ich zurückschlagen können, aber der Plan war noch nicht zu den Akten gelegt worden. Das stand für mich fest. Zumal beide noch einen mächtigen Helfer bekommen hatten, den Mensch-Dämon Vincent van Akkeren.
All diese Gedanken glitten durch meinen Kopf, während ich zwischen meinem Wagen und dem Omega stand. Ich spürte, wie mir der Schweiß aus
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