1221 - Geschäft mit der Angst
verbunden war. Der Kreislauf war nicht so in Ordnung wie er hätte sein müssen. Das war ihr klar und auch erklärbar, denn es war einfach zuviel auf sie eingestürmt.
Sie betrat den Flur mit den Bewegungen einer Greisin. Auf ihren Schultern lag die unsichtbare, schwere Last, die sie immer tiefer dem Boden entgegendrückte. Lisa riss sich zusammen. Noch einen Blick warf sie zurück in das Zimmer.
Nichts hatte sich dort verändert. Brian Watson saß noch immer reglos am Tisch. Aus der Distanz wirkten die Bisse auf seinem Körper wie braune Flecken. Blut war auch so weit gelaufen, dass es als kleine Lachen auf dem Tisch lag.
Sie drehte sich um. Etwas zu schnell, sodass sie ein Schwindel packte. Im Normalzustand hätte sich Lisa sofort wieder unter Kontrolle gehabt, in diesem Fall allerdings nicht. Sie ging einen nächsten Schritt und glaubte, ins Leere getreten zu haben, denn der Boden unter ihr schien aufzuweichen.
Gleichzeitig geriet sie in einen Kreisel hinein. Sie drehte und drehte sich. Dabei verlor sie die Übersicht, und plötzlich fiel sie hinein in das tiefe Loch.
Dass sie zu Boden sank, gegen die Wand fiel und schließlich sitzen blieb, bekam sie nicht mehr mit. Lisa wollte ihre Ruhe haben, sie wollte nicht mehr denken, nicht mehr überlegen und blieb so lange sitzen, bis sie das scharfe Geräusch der Türklingel hörte…
***
»Metatron!«, wiederholte Bill den Namen des mächtigen Engels mehrmals. »Bist du sicher, dass du dich da nicht geirrt hast, John?«
Ich schaute aus dem linken Seitenfenster des Porsches. »Was heißt hier sicher? Ich kenne den Namen. Es gehört quasi zur Allgemeinbildung in meinem Job.«
»Ich habe ihn noch nicht gehört.«
»Was allerdings nicht bedeutet, dass du keine Allgemeinbildung besitzt, mein Guter.«
»Danke, Mr. Geisterjäger, ich habe verstanden. Aber ich verzeihe dir.«
»Wie großmütig.«
»Bin ich immer, wenn es um die kleinen Dinge des Lebens geht.« Bill grinste und fuhr langsamer, weil die Straße plötzlich enger wurde. Wir waren bereits auf die Südseite der Themse gewechselt. Das schwarze Band des Flusses hatte gerochen, denn die Luft drückte. Es war zwar dunkel und ruhiger geworden, aber London schlief in dieser Nacht nicht. Die Schwüle beeinträchtigte die Menschen und drückte auf ihre Gemüter.
Wer nicht im Bett lag, hockte bei offenen Fenstern in der Wohnung und sorgte dort für einen leichten Durchzug, um wenigstens eine geringe Abkühlung zu bekommen. Viele saßen auch draußen. Allerdings mussten sie auf Besuche in den Pubs oder Biergärten verzichten, denn dort gab es noch immer die Sperrstunde.
Keiner von uns wusste genau, wo die Fink Street lag. Ich hatte noch Zeit genug gehabt, um auf dem Plan nachzuschauen und hatte Bill Conolly den Weg dann erklärt.
Brian Watson lebte in einem großen Haus, zusammen mit anderen Kollegen oder Freunden. Um die Miete bezahlen zu können, hatten sie sich zu einer Wohngemeinschaft zusammengefunden. Das hatten meine Recherchen ergeben.
Zwar war der gute Brian nicht negativ aufgefallen, aber sein Vater war registriert. Er hatte eine Strafe auf Bewährung wegen Urkundenfälschung abgesessen, und ihn hatte ich durch einen Anruf aus dem Schlaf gescheucht. Es war dann leicht gewesen, den Aufenthaltsort seines Sohnes herauszufinden.
Wir fanden die Fink Street südlich des Geraldine Mary Harmworth Parks, in dem sich auch das Imperial War Museum befindet, in dem die Besucher die Geschichte der Kriege nachvollziehen können. Ich hatte dort noch keinen Blick hineingeworfen und würde es auch freiwillig in der Zukunft nicht tun.
Bill kam wieder auf die Angst des Mannes zu sprechen. »Du kannst sagen, was du willst, John, aber diesem Klinik-Chef traue ich nicht über den Weg. Das ist keiner, der die Angst bekämpft, das ist einer, der sie noch steigert und dann die Chance hat, die Menschen unter seine Kontrolle zu bekommen. So sehe ich das.«
»Könnte man sagen.«
»Aber warum tut er das?« Bill lenkte den Porsche scharf nach links. »Was hat er davon?«
»Es ist ein Geschäft mit der Angst, Bill, und es muss eine Verbindung zu Metatron geben.«
»Klar. Wer ist der Chef, der Meister, der große Helfer und wer ist Metatron?«
»Ein Erzengel, der Letzte. Wenn auch nicht anerkannt und gewissermaßen unterdrückt. Bewusst vergessen, weil man mit ihm keine große Ehre einlegen konnte.«
Bill nickte vor sich hin. »Weißt du, was mir durch den Kopf geht?«, murmelte er. »Nein.«
»Ich könnte mir denken, dass
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