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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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grinste selbstgefällig. Mit weit ausholender Geste versenkte er seine fleischige Hand in einer Falte seiner Kutte und zog sie theatralisch wieder hervor. Jetzt war sie zur Faust geballt und umschloss ein Geheimnis, das – der Miene seines Behüters nach – niemand außer Nelson je zu Gesicht bekommen würde.
    Nelson wartete, bis sich die Faust langsam öffnete, und erblickte ein schmuckloses Fläschchen, das ein winziger Korken versiegelte. Er kniff die Augen zusammen und sah den Dominikanermönch ratlos an.
    »In dieser Phiole«, flüsterte Tadeus, »hat Paulus das Blut unseres Herrn aufgefangen, als dieser am Kreuz die Sünden der Welt auf sich nahm. Unter Umwegen gelangte der Schatz in die Hände eines alten Rittersmannes, der am dritten Kreuzzug teilnahm und sie aus dem Heiligen Land schmuggelte. Kurz bevor er starb, hat er mir, der ich an seinem Totenbette wachte, die Reliquie überantwortet, damit ich sie für die Christenheit aufbewahre.« Er schloss die Faust und blickte sich geheimnistuerisch nach allen Seiten um. Aber bis auf Luk und Nelson interessierte sich niemand der Umsitzenden für ihn.
    »Donnerwetter!«, raunte Nelson und musste sich ein Grinsen verkneifen. »Leider jedoch habe ich einem solchen Schatz überhaupt nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Im Grunde genommen habe ich noch nicht einmal… «
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn die Knollennase beschwichtigend. Er setzte eine Gönnermiene auf und legte seinem jungen Mitbruder väterlich seine Pranke aufs Knie. »Wie gesagt – mir geht es nicht um irgendwelche irdischen Güter. Aber wenn du unbedingt nach einem eigenen Einsatz verlangst – hättest du nicht eine Winzigkeit, mit der ich mich zufrieden geben könnte? Ein paar Münzen oder ein Amulett? Ohne Einsatz macht es keinen Spaß. Was trägst du denn eigentlich in deinem Beutel spazieren?«
    Nelson seufzte. »Nichts von Bedeutung. Eine Kutte, eine Kukulle, ein…« Er stockte. Tat, als ob ihm etwas einfiele. Zögernd murmelte er: »Vielleicht hätte ich ja doch etwas, das…« Er streckte die Hand aus. »Darf ich noch mal sehen?«
    Tadeus beugte sich rasch vor und legte ihm das Fläschchen in die Hand, wobei sein massiger Körper etwaige fremde Blicke abwehrte. Seine Augen blitzten lüstern.
    Nelson betrachtete die Phiole genauer. Auf ihrem Grund schwamm eine rote Flüssigkeit. Eine FLÜSSIGKEIT! Das, so stellte Nelson belustigt fest, war offenbar das wahre Wunder: Jesu Blut hatte zwölfhundert Jahre überdauert ohne einzutrocknen!
    Er reichte Tadeus die Phiole zurück. »Bemerkenswert«, murmelte er, »wirklich bemerkenswert.« Der Dicke warf ihm einen Ich-hab’s-doch-gesagt-Blick zu. Nelson tat so, als ringe er mit sich. Schließlich zuckte er bedauernd die Schultern. »Nur… leider hat uns der heilige Franziskus jeglichen Besitz untersagt – außer…« Er zögerte. Dann wog er den Kopf hin und her und schürzte die Lippen.
    »Nun sag schon!« Bruder Tadeus’ Augen sprangen ihm fast aus dem Gesicht.
    »Außer…« Nelson begann umständlich den Beutel zu seinen Füßen aufzuschnüren. Sein dicker Sitznachbar wippte ungeduldig mit dem Fuß. Als Nelson die Kordel endlich gelöst hatte, vergrub er sein Gesicht in dem Stoff, wühlte das Unterste zuoberst und zog endlich, ebenso theatralisch wie vorhin Tadeus, seine Hand wieder hervor. Das, was sie umschloss, war sein kleines Geheimnis.
    »Was ist es?«, japste die Knollennase.
    Nelson erlöste ihn von seinem Leid. Er hielt ihm die Faust unters Gesicht und öffnete sie langsam. In seiner Hand lag ein Zahn. Sein Glücksbringer. Der Backenzahn eines Kaimans. Als Nelsons Vater Botschafter in Venezuela gewesen war, hatte er den auf Hochglanz polierten Beißer im Andenkenladen einer Alligatorenfarm erstanden. Nelson hatte ihn seither immer bei sich getragen. Aber richtig Glück hatte er ihm eigentlich nie gebracht.
    »Das hier«, hauchte er beschwörend, »ist mein kostbarster Besitz. Ich gebe zu, es würde mir schwer fallen, mich davon zu trennen. Aber deine Großzügigkeit beschämt mich. So will ich auch einen bescheidenen Einsatz wagen, wohl wissend, dass es nichts auf der Welt gibt, das das Blut unseres Herrn wirklich aufwiegen könnte.«
    »Was ist das?«, flüsterte Tadeus ehrfurchtsvoll. Seine Hand zuckte hoch. Doch Nelson war darauf gefasst und ließ seine Finger wie eine Mausefalle zuschnappen.
    »Was das ist?« Er sah nach links und nach rechts und erhaschte dabei einen Blick von Luk, der sich kaum noch beherrschen

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