1229 - Das Vogelmädchen
ist keine Frau, die sich unbedingt immer auf ihren Partner verlässt und auf ihn wartet, wenn es brennt. Ich habe das Gefühl, dass es inzwischen so weit gekommen ist. Jemand hat das Feuer geschürt.«
»Dann frage ich mich, Myxin, wo wir anfangen sollen, nach Kara zu suchen.«
Er senkte den Blick. Plötzlich durchlief ein Zittern seine Gestalt. Für mich sah es aus, als würde sich sein Körper mit Energie füllen.
»Hast du die Lösung?«
»Nein, John, noch nicht. Aber ich weiß unter Umständen, welchen Weg ich zu gehen habe.«
»Okay, gehen wir ihn gemeinsam.«
Er streckte mir seine Hand abwehrend entgegen. »Nein, noch nicht, John, nicht sofort. Das ist erst mal meine eigene Sache.«
Es hatte keinen Sinn, zu versuchen, Myxin umzustimmen. Er hatte seinen eigenen Kopf, und er ging seinen eigenen Weg.
Dazu kannte ich ihn lange genug.
»Ich werde versuchen, einen Kontakt zu ihr zu finden«, sagte er. »Es ist besser, wenn du an deinem Platz bleibst.«
»Wie du willst.«
Myxin sagte und erklärte nichts mehr. Er ging mit unbewegtem Gesicht an mir vorbei und näherte sich dem Zentrum des Refugiums, den Flammenden Steinen.
Ich blickte ihm nach, und Gedanken über ihn strömten durch meinen Kopf. So klein er auch war, aber einer wie er war nie unscheinbar. Von ihm strahlte etwas ab, das andere Menschen, die ihn zum ersten Mal sahen, zurückweichen ließ, weil sie spürten, dass in ihm mehr steckte, als sie je mit ihrem Geist erfassen konnten.
Aus dem ehemaligen Dämon war ein Wissender geworden und zugleich auch ein Macher, der sich auf die Seite der Menschen gestellt hatte und nicht mehr gegen sie agierte.
Er betrat das Gebiet der flaming stones und blieb in der Mitte stehen, wo sich die für mich kaum sichtbaren Linien kreuzten und den Schnittpunkt bildeten.
Dort hielt Myxin an. Er schaute nicht einmal zurück und richtete sich nur soweit wie möglich auf, legte dann den Kopf nach hinten, und ich sah nicht, ob er die Augen geschlossen hielt oder in den blauen Himmel schaute.
Jedenfalls konzentrierte er sich, denn das war für ihn ungemein wichtig. Er musste die Magie der Steine hervorlocken und die Kräfte anschließend kanalisieren. Dann war es ihm vielleicht möglich, mit Kara, der Schönen aus dem Totenreich, Kontakt aufzunehmen.
Ich befolgte den Ratschlag des kleinen Magiers und verhielt mich sehr ruhig. Auch ich konzentrierte mich und hatte dabei den Eindruck, dass sogar das Murmeln des Bachs allmählich leiser wurde und hinter eine Wand zurücktrat.
Myxin brauchte nichts zu sagen. Keine Beschwörungsformeln, keine Zeichen mit den Händen, nichts, das auch mir einen Weg in diese magische Welt zeigte.
Die Steine reagierten, denn sie hatten die Botschaft des kleinen Magiers verstanden.
Ich kannte dieses Phänomen. Auch wenn ich es schon öfter gesehen hatte, daran richtig gewöhnen konnte ich mich nicht, so war es für mich immer wieder neu und auch zu bewundern.
Es war genauso geschehen, bevor wir die Zeitreise nach Atlantis angetreten hatten, doch da hatte ich es nicht so mitbekommen.
Jetzt stand ich außen vor und sah, wie das andere Licht von unten her die Steine erfasste und dann langsam in ihnen hochstieg. Es war ein Kriechen, und als Zuschauer hatte ich das Gefühl, als wären die Steine von innen her mit einem Feuer erfüllt, das nur einen Weg kannte, den nach oben.
Auch die Linien auf dem Boden waren jetzt besser zu sehen und leuchteten in einem tiefen Rot, das der Farbe des Blutes schon sehr nahe kam.
Myxin stand im Zentrum.
Er hatte sich nicht bewegt und schien in seiner Haltung eingefroren zu sein. Aber die Starre täuschte, denn Myxin war schon jemand, der alles in sich aufnahm.
Die Magie der Steine ermöglichten ihm, etwas zu sehen, was den Augen der meisten Menschen verborgen blieb. Er würde in andere Welten und Zeiten hineinschauen können, um dort die Wunder zu erkennen, die ihn auf seinem Weg weiterbrachten.
Ich hätte etwas darum gegeben, das erleben und sehen zu können, was ihm präsentiert wurde, aber ich hütete mich davor, meinen Platz zu verlassen und das Gebiet der Flammenden Steine zu betreten. Das gehörte einzig und allein dem kleinen Magier.
Ich wartete voller Ungeduld. Beweise hatte ich nicht, aber allmählich breitete sich in mir die Ahnung aus, dass ich Atlantis vergessen konnte und die dämonische Musik demnächst hier in der Gegenwart spielte.
Je länger ich zu Myxin hinschaute, um so mehr hatte ich den Eindruck, dass sich die Zeit von mir entfernte.
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