1230 - Der Traumdieb
wenn Sie wollen.« Cora suchte in der Manteltasche nach den Schlüsseln, und Bill trat einen kleinen Schritt zurück, um bei Sheila zu sein.
Er wartete, bis der schmale Schlüssel im Schloss steckte und sprach seine Frau im Flüsterton an. »Ich verstehe das nicht, Sheila, aber mir kommt es vor, als hätte sie etwas zu verbergen. Du kannst mich auslachen, aber so scheint es zu sein.«
»Keine Sorge, ich lache nicht, denn ich denke ähnlich wie du. Aber wenn sie tatsächlich etwas zu verbergen hat, dann weiß sie es möglicherweise selbst nicht. Dann ist alles aus ihrem Gedächtnis gestrichen worden. So könnte es sein.«
»Mit anderen Worten, Sheila, wir müssen uns darauf einstellen, noch die eine oder andere Überraschung zu erleben.«
»Das ist zwar weit vorausgedacht, aber nicht falsch, denke ich mal. Wir sind noch nicht am Ende des Regenbogens angelangt.«
In der Zwischenzeit hatte Cora Atkins die Haustür aufgeschlossen und stieß sie nach innen. Cora ging als Erste, und sie traf auch keine Anstalten, den Conollys die Tür aufzuhalten.
Wäre Bill nicht so schnell gewesen, dann wäre sie wieder vor seiner Nase zugeschlagen. So aber konnte er sie im letzten Moment mit dem hochkant gestellten Fuß stoppen und sie auch für seine Frau Sheila aufhalten.
Cora Atkins war schon vorgegangen. Sie musste eine Treppe aus vier Stufen hinter sich lassen, sich dann nach rechts wenden, um auf eine der beiden Türen zuzugehen. Das Licht hatte sie eingeschaltet. Es war nicht so hell, wie man es sich eigentlich hätte vorstellen können, aber es wurde von dem hellen Steinboden reflektiert.
Auch die Wohnungstür öffnete sie. Verschlossen war sie nicht, eine halbe Umdrehung des Schlüssels reichte aus.
Noch bevor sie einen Schritt über die Schwelle gesetzt hatte, rief sie den Namen ihres Mannes.
»Tom? Tom, hörst du?«
Tom hörte nichts. In der Wohnung blieb es still, aber nicht mehr dunkel, denn Cora hatte das Licht eingeschaltet und damit einen Zentralschalter aktiviert, denn die eintretenden Conollys sahen, dass in allen Räumen die Lampen ihren hellen Schein abgaben. Zum Teil standen die Türen offen, und wenn nicht, dann fiel das Licht als Streifen unter den Türritzen hervor.
Hinter Cora betraten sie den recht breiten Flur, an dessen rechter Wand ein Spiegel hing. Er gehörte zu einer hellen Garderobe, auf der auch eine kunstvoll geblasene Vase stand, in der eine künstliche gelbe Rose stand.
Es war geräumig genug, damit sich auch mehrere Menschen zugleich ihrer Garderobe entledigen konnten, und Cora benahm sich so, als wäre nichts passiert. Sie streifte den Mantel ab und hängte ihn an einen gekrümmten Messinghaken.
Dann schaute sie Sheila an. »Ich weiß es auch nicht, aber Tom ist wohl nicht da.«
»Wo könnte er denn sein?«
»Keine Ahnung.«
Sheila kam die Sache suspekt vor, deshalb blieb sie bei dem Thema hängen. »Ist es schon öfter passiert, dass er mitten in der Nacht verschwindet und erst am Morgen zurückkehrt?«
»Ja. Er muss ja arbeiten.«
»Wo?«
»Auf dem Airport. Tom ist Fluglotse. Da hat er auch Nachtschicht. Ich möchte seinen Job nicht machen.«
Es schien sich ja alles aufzuklären, dennoch fragte Sheila noch mal nach. »Auch in dieser Nacht?«
»Nein, eigentlich nicht. Und er ist auch nicht angerufen worden, weil ein Kollege erkrankt ist. Seltsam, aber ich kann es euch auch nicht so richtig erklären.«
Bill hatte mittlerweile zwei Türen ganz aufgestoßen. Der erste Blick war in das geräumige Wohnzimmer gefallen, in dem ebenfalls helle Möbel überwogen, aber eine kalte Atmosphäre schufen, weil doch die Farbkleckser fehlten. Selbst die Metallfüße des Glastisches konnten daran nichts ändern, auch wenn sie dunkel waren. Hinter der zweiten Tür lag die Küche, klein und quadratisch. Kein Raum, um nebenbei noch ein Tänzchen durchzuführen. Bevor Bill die dritte Tür aufstieß, schaute er die beiden Frauen an. Er hatte das Gespräch zwischen ihnen gehört und wunderte sich darüber.
»Wie war es denn, als Sie das Haus verließen, Cora? Ist Tom da noch bei Ihnen gewesen?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Sie haben im Bett gelegen, nicht?«
»Ja.«
»Tom auch?«
Sie atmete mühsam ein und suchte nach Worten. »Ich habe doch geträumt«, flüsterte sie vor sich hin. »Dann ist der Traumdieb gekommen. Ich habe mich nicht…« Sie wusste nicht mehr weiter, aber es schien noch etwas passiert zu sein, denn auf ihrem Gesicht entstand ein Ausdruck, der besagte, dass sie schon
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