1241 - Der Mördermönch von Keitum
vergewissern, weil ich Sie auf etwas ansprechen möchte, das mir in der letzten Nacht widerfahren ist. Es hat nichts mit den alten Pflaumen zu tun, die ich an der Bar getrunken habe. Haben Sie etwas Zeit, um mir zuzuhören, Herr Claasen?«
»Natürlich. Deshalb sitze ich hier.«
»Super. Dann hören Sie bitte mal zu. Zuvor hätte ich eine Frage. Haben Sie heute schon Frau Nelly Becker gesehen?«
»Nein, nicht hier im Hotel.«
»Dachte ich es mir.«
»Wieso? Hat sie etwas damit zu tun?«
»Sie ist die Hauptperson.«
»Ach.«
Andy Brass wusste noch immer nicht, ob Claasen ihm glaubte oder nicht. Er ging davon aus, dass er es tat, und kam danach ohne Umschweife zur Sache.
Der Hotelier hörte zu. Das Lächeln verschwand sehr schnell aus seinem Gesicht. Stattdessen runzelte er die Stirn, stellte aber keine Zwischenfragen. Erst als Brass seinen Bericht beendet hatte, atmete Claas Claasen tief durch.
»Jetzt wissen Sie alles.«
»In der Tat.«
»Und?« Andy schaute sein Gegenüber scharf an. »Glauben Sie mir? Oder denken Sie, dass ich irgendwelchen Mist erzählt habe?«
»Nein, nein, ich glaube Ihnen.«
Mit dieser Antwort hatte Andy auch nicht gerechnet. Seine Frage klang skeptisch. »Ach, Sie glauben mir wirklich?«
Claas Claasen ging nicht darauf ein. »Nun ja, Herr Brass, lassen Sie uns erst mal nachdenken.« Claasen schaute auf den Teller, der in seiner Nähe stand. »Es geht, wenn mich nicht alles täuscht, um Nelly Becker, die Sie gesehen haben.«
»Genau.«
»Und Sie sind sicher, dass Sie sich nicht geirrt haben?«
»Hundertprozentig. Ich war nämlich nicht betrunken. Mir ging es zwar nicht top, aber ich weiß genau, was ich gesehen habe und was nicht. Es war Nelly Becker, und deren Gesichtshaut platzte weg. Aus dem Gesicht drangen dann Würmer.«
Der Hotelier ging nicht näher darauf ein. Er fragte nur: »Wie gut kennen Sie Frau Becker? Oder kennen Sie Frau Becker?«
»Nicht besonders gut. Meine Frau und ich haben sie hier im Hotel kennen gelernt. Sie hat uns auch drei Mal begleitet, als wir mit dem Kurzen spazieren gingen. Sie war einsam und brauchte jemanden, mit dem sie reden konnte. Hinter ihr lag eine in die Brüche gegangene Beziehung, an der sie schwer zu knacken hat.«
»Finden Sie, dass sie psychisch trotzdem okay war?«
»Ja, Herr Claasen - ja.«
»Und was denken Sie jetzt?«
Es gefiel Andy nicht, dass sein Gegenüber sich so wenig kommunikativ zeigte. Er hatte sogar das Gefühl, dass der Mann seine Ansichten relativierte, aber davon wollte er jetzt nicht anfangen. »Doch, sie war okay. Ich habe Ihnen alles erzählt, weil ich weiß, dass hier Dinge vorgefallen sind, die nicht so in die Regel passen, wie Sie selbst erzählt haben. Hier auf der Insel scheint es wirklich unheimliche Dinge zu geben. Alte Geschichten, die sich über lange, lange Zeit gehalten haben und…«
»Das ist alles richtig. Der Geisterglaube war hier stark verbreitet. Noch heute können Sie an einigen Häusern die Zeichen sehen. Da sind vor den Türen Kreuze aus Stein in den Boden gedrückt worden, um die bösen Geister abzuhalten. Aber das nur am Rande. Bevor ich mich äußere, möchte ich mir das Zimmer von Nelly Becker ansehen.«
»Sie wollen sich äußern?«
»Natürlich.«
»Dann wissen Sie also mehr?«
»Bitte, Herr Brass.« Claas Claasen stand auf und schob den Stuhl dabei etwas zurück. »Lassen Sie uns die Dinge der Reihe nach ange hen. Ist das für Sie okay?«
»Und ob. Ich habe schon damit gerechnet, dass Sie mich auslachen oder die Männer in den weißen Jacken holen, die mich in die Klapsmühle schleppen. Das alles ging mir durch den Kopf.«
»Da brauchen Sie keine Sorgen zu haben.«
»Wunderbar. Kann ich denn mitgehen?«
»Ich habe nichts dagegen.« Die beiden Männer verließen den Restaurationsbereich und bewegten sich durch den mit einer Glaswand ausstaffierten Gang auf die Rezeption zu, deren Umgebung umgebaut war, denn man hatte die Treppe versetzt.
Noch vor der Rezeption führte sie nach oben, und sie war ebenso gefliest wie der Gang.
In einem offenen breiten Holzschrank standen allerlei originelle Souvenirs, die gekauft werden konnten. Sie zu entdecken, war Aufgabe der Anja Claasen, und sie gab sich immer viel Mühe damit. Sie war wirklich zum guten Geist des Hauses geworden. Zu den Claasens gehörten noch drei Kinder, die aussahen wie norddeutsche Kids aus dem Bilderbuch.
Der Hotelier schritt als Erster die Treppe hoch. Andy Brass ging hinter ihm her. Sein Herz klopfte schon
Weitere Kostenlose Bücher