1244 - Die Besucher
Ankunft…
***
Die beiden Frauen waren zurückgeblieben, aber zwischen ihnen herrschte nicht die Stimmung wie bei Freundinnen, wie man es nach so einer langen Zeit der Trennung hätte erwarten können. Sie hatten sich bestimmt viel zu sagen, doch sie schwiegen sich zunächst mal an, weil die Ereignisse sie praktisch überrollt hatten.
Germaine konnte nicht sitzen bleiben. Sie ging unruhig hin und her. Verließ den Wohnraum, in dem Maxine saß, schaute in den anderen Zimmern nach und ging immer wieder die Treppe hoch, um erneut nachzusehen, ob Kevin nicht doch heimlich zurückgekehrt war.
Er war es nicht.
Er blieb verschwunden. Ebenso wie John Sinclair, den beide auch nicht sahen, wenn sie aus den Fenstern schauten, was Maxine ebenfalls leicht nervös machte.
Sie hatte schon daran gedacht, John über sein Mobiltelefon zu erreichen, doch diesen Gedanken verwarf sie immer wieder, weil sie ihn nicht an der falschen Stelle stören wollte.
Maxine war jemand, die ungern wartete. Diesen Fatalismus besaß sie einfach nicht. Sie wollte, dass es immer weiterging, aber in diesem Fall musste sie Geduld haben. Auch das Haus konnte sie nicht verlassen, denn ihr waren verschiedene Dinge aufgefallen, wenn sie durch das Fenster zur Straße hin schaute.
Da waren hin und wieder Dorfbewohner erschienen, die wie Wächter über die Straße gingen und das Haus mit Argusaugen beobachteten. Sie gaben sich nicht mal Mühe, sich zu verstecken, sondern schauten offen hin.
In ihren Gesichtern sah sie nichts Gutes, und sie musste bei dem Anblick sofort daran denken, dass Germaine und ihr Sohn aus dem Haus getrieben werden sollten.
Wieder hörte sie die Geräusche der Schritte, als ihre Freundin die Treppe herunterkam. Diesmal jedoch betrat sie das Wohnzimmer, lehnte sich müde gegen eine Schrankecke und strich dabei über ihr Gesicht. »Er ist noch immer nicht da, Max. Langsam glaube ich, dass er nicht mehr zurückkommen wird.«
Die Tierärztin versuchte es mit einem Lächeln. »Bitte, Germaine, das darfst du nicht so schwarz sehen. Wo soll Kevin denn hin?«
»Zu den Besuchern.«
»Nein, sein Zuhause ist hier! Ich weiß auch nicht, was sie mit ihm anfangen sollen.«
»Ist er nicht das perfekte Testobjekt?«, erwiderte sie scharf lachend. »Ist er das nicht?«
»Das kann sein, aber er wird hier bei dir bleiben.«
»Nein, Max, nein, wir können das nicht verhindern. Verdammt, sie haben doch auch mich geholt. Ich war ebenfalls ein Testobjekt. Wer sich ihnen in den Weg stellt, der wird vernichtet. Warum ist denn Owen Donnel regelrecht verglüht? Kannst du mir das sagen?«
»Ja, denn er ist zur flaschen Zeit genau an der falschen Stelle gewesen.«
»Ja, und die Menschen hier in Kiltegan wissen das. Oder ahnen es zumindest. Das musst du begreifen. Sie wissen, wer die Schuld trägt. Denkst du nicht, dass ich die Typen nicht gesehen habe, die hier in der Nähe patrouillieren?«
»Schon. Aber…«
»Das lasse ich nicht gelten, Max. Kein Aber. Die wissen verdammt genau, was läuft. So dumm sind sie nicht. Sie wollen uns weghaben, und sie werden versuchen…« Das Telefon unterbrach sie. Mit zwei Schritten war Germaine Duc am Apparat und hob ab. Sie hörte zu, sie sagte nichts, aber Maxine sah, dass ihre Freundin immer blasser wurde, sie schließlich den Hörer auf das Unterteil zurückschleuderte und schwer atmend neben dem Telefon stehen blieb.
»Was ist los? Wer war das?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Germaine. »Es kann der Bü rgermeister gewesen sein. Er hat seine Stimme verstellt. Sie klang sehr kratzig, aber ich habe jedes Wort verstanden. Jedes…«
»Was sagte die Stimme?«
»Sie fragte mich etwas«, stieß Germaine hervor. »Sie wollte tatsächlich wissen, ob ich schon gepackt habe. Viel Zeit würde mir nicht mehr bleiben. Sie wollte, dass Kevin und ich noch vor Mitternacht das Haus verlassen. Wenn nicht, dann würden sie es abfackeln.« Sie schüttelte den Kopf und schlug mit der Faust gegen die Wand. »So tolle Nachbarn habe ich hier im Ort.«
Es war schwer für Maxine eine Antwort zu geben. Sie wusste auch nicht, wie sie ihrer Freundin Trost spenden sollte. Es sah nicht gut aus, das stand fest, aber sie sprach trotzdem dagegen und versuchte es mit einem Vergleich.
»Es wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird.«
»Hör doch auf. Das sind Sprüche. Damit kann man mich nicht mehr aufheitern.«
»Was willst du tun? Packen?«
»Ja, verdammt, aber ohne Kevin?« Ihre Augen wurden groß.
»Nein, das bringe
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