1244 - Die Besucher
überall in seinem Körper zu spüren und stieg hoch bis in den Kopf.
Hinter seiner Stirn veränderte sich ebenfalls etwas. Er hörte Stimmen, die allerdings mit den menschlichen nicht zu vergleichen waren und mehr klangen wie eine schrille Musik.
Trotzdem konnte er sie verstehen. Ihm gelang eben das, was sonst keinem anderen Menschen widerfuhr. Er war gezeichnet.
Sie hatten ihn geholt, sie hatten ihm etwas beigebracht, und nur deshalb war er in der Lage, sie zu verstehen.
Die Übersetzung in seinem Kopf geschah von allein. Aus den sirrenden Lauten wurden Wörter, die dann wie gesprochen wirkten.
»Wir sind bei dir, Kevin, keine Sorge. Wir haben dich nicht vergessen. Du gehörst zu uns. Oder fast. Du bist das Experiment. Du bist für uns der Türöffner in diese Welt. Erst deine Mutter, dann du. Das ist etwas Wunderbares.«
Der Junge hatte nur zugehört und nichts getan. Er stand neben dem Sarg wie eine Statue. Die tote Greisin interessierte ihn nicht mehr. Er reckte zuerst sein Kinn, dann hob er den Kopf an und schaute nach vorn. Es gab dort nicht viel zu sehen, nur die alte Innenwand des Hauses, an der noch einige aufgerollte Schläuche hingen, deren Material ebenfalls rissig geworden war.
Aber dahinter passierte etwas. Jenseits der Wand und im Freien. Dort war alles anders geworden. Die Mauer hatte sich geöffnet und den Blick in das freigegeben, was die andere Seite hinterlassen hatte. Es war das Licht.
Es war dieses herrliche, dieses helle und kaum zu beschreibende Licht, das nicht klar war, sondern wirkte, als wäre ein Geriesel darin eingeschlossen. Körniges Licht also und trotzdem so hell, dass es kaum zu beschreiben war.
Kevin Duc kannte das Licht. Oft genug hatte er es in seinen Träumen erlebt. Es ging immer dem voraus, was dann später geschah. Erst war es über ihn gekommen, es hatte ihn so leicht gemacht, und dann war er weggetragen worden.
Er hatte die Fremden zwar gesehen, jedoch nur als Schatten.
Dennoch erinnerte er sich an ihre großen Köpfe und die dazu gehörigen schmalen, nackten, sehr hellen Körper, unter deren Haut die Knochen zu sehen waren.
Das alles war ihm in der Erinnerung geblieben und jetzt, als er das Licht sah, da kehrten die Erinnerungen wieder zurück.
Kevin verlor die Angst!
Sie verwandelte sich in eine gewisse Erwartung. Er konnte seine Augen nicht von der Wand lassen, die nicht mehr zu sehen war, weil sich dort eine zittrige Lichtflut ausbreitete.
Mit Kevins Gesichtsausdruck geschah etwas. Zunächst verlor er seine Starre, dann zuckten die Lippen und schließlich verzerrten sie sich in die Breite, so dass auf seinem Mund ein breites, erwartungsfrohes und glückliches Lächeln entstand, als stünde er in einem Zimmer, in dem der Tannenbaum voller Lichter steckte und unter ihm die in Weihnachtspapier eingepackten Geschenke lagen.
Das Licht schickte ihm weiterhin die Botschaften entgegen, und er war davon überzeugt, dass es nicht nur die winzigen hellen Körnchen waren, die dafür sorgten, sondern diejenigen, die sich bisher noch im Licht verborgen hielten.
Nicht mehr lange.
Plötzlich waren sie da.
Zuerst nur als dunkle Flecken, die sich inmitten des Gerieseis abzeichneten. Aber die Flecken bekamen eine gewisse Basis, sie nahmen Umrisse an, und wieder glaubte er, sich tief in seine »Träume« versetzt zu sehen, denn so wie diese Figuren hier hatten auch die in den »Träumen« ausgesehen, als sie sich seinem Bett genähert hatten.
Kevin konnte nur staunen. Sein Mund klaffte auf. Es war kaum zu hören wie er Luft holte. Er atmete nur schwach und starrte nach vorn, wo sich die beiden Gestalten innerhalb der Helligkeit immer deutlicher abmalten und sogar näher kamen.
Zugleich faszinierte ihn, dass kein Laut zu hören war. Keine Schritte, kein Atem- Geräusch, einfach nichts. Und das, obwohl sich die geheimnisvolle Helligkeit immer weiter ausbreitete und in ihrem Zentrum die beiden Fremden ließ.
Sie hatten sich nicht mal aus eigenen Kräften bewegen mü ssen. Sie waren transportiert worden und lösten sich immer stärker vom hellen Hintergrund ab.
Kevin schaute zu. Er wagte nicht, sich zu bewegen und hielt den Atem an. Der Junge schaute fasziniert und schon ehrfurchtsvoll den unheimlichen Besuchern entgegen.
Wieder schrillten ihre Stimmen durch seine Ohren. Die ungewöhnlichen Laute waren für ihn sogar verständlich, und er hörte zu, wie sie ihm erklärten, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, denn er gehöre ja zu ihnen.
Kevin zeigte sich von
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