1266 - Schleichende Angst
die Ruhe.
Dass sich die Frauen ebenfalls so gelassen zeigten, wunderte Stan Shaw.
Eigentlich hätten sie nervös werden müssen, aber sie benahmen sich so, als wären sie die Sieger.
Butt hatte das Handy hervorgeholt. »Achtung!«
Es flog auf Stan zu, und der fing es mit beiden Händen auf. Jetzt fühlte er sich sicherer. Das Inselgefühl war verloren. Es gab die Verbindung zur Außenwelt.
»Welche Nummer soll ich wählen?«
»Es ist der Notruf. Sie können in meinem Namen sprechen und wiederholen Sie die Worte, die ich…«
Butt sprach nicht weiter. Ihm waren die Haltung und der Blick des Biologen aufgefallen.
Beides hatte sich verändert. Besonders der Blick bereitete ihm große Sorgen. Er glitt an ihm vorbei und war starr auf die hinter ihm liegende Tür gerichtet.
Nur Shaw sah, was dort passierte. Da war jemand erschienen. Eine Frau, die aus dem Café, die Besitzerin, Sally Corner.
Und sie hielt einen Knüppel mit beiden Händen fest.
»Vorsicht!«
Die Warnung kam zu spät. Der Knüppel oder die Stange wurde bereits nach unten geschlagen und erwischte mit großer Wucht den Hinterkopf des Polizisten, der auf der Stelle zusammenbrach und nicht mal mehr das böse Lachen der Frauen hörte…
***
Ich hatte nichts Auffälliges entdecken können, als ich in den Ort Oxbow hineingefahren war. Ein Dorf wie viele andere in unserem Land auch. Vielleicht standen die Häuser hier dichter zusammen als in den Gebieten, die noch recht unbewohnt waren, aber sonst war hier alles in Ordnung. Zumindest auf den ersten Blick hin.
Ich wollte Stan Shaw besuchen und wusste nicht, wo ich ihn finden konnte.
Deshalb hielt ich an und ging nach dem Aussteigen zu einer Frau hin, die Fenster putzte.
Sie hatte meinen Schatten gesehen und drehte sich um. Ich grüßte freundlich und erntete dafür einen misstrauischen Blick.
»Pardon, Madam, wenn ich Sie störe, aber ich bin fremd und hätte eine Frage.«
»Was wollen Sie?«
»Ich möchte gerne wissen, wo ich einen Mann namens Stan Shaw finden kann.«
Sie schwieg, und nicht nur das, denn sie presste sogar die Lippen zusammen.
»Bitte, es wäre wichtig…«
»Was wollen Sie denn von dem?«
»Wir hatten uns verabredet.«
»Geht es wieder um die verschwundene Leiche?«
»Ich kann es nicht leugnen.«
Die Frau, deren Gesicht harte Züge zeigte, die das Leben eingegraben hatte, schüttelte den Kopf.
»Nein, verdammt«, sagte sie, »wir alle wollen nichts mit den Dingen zu tun haben. Das geht uns einfach nichts an, verstehen Sie?«
»Natürlich, aber Sie brauchen sich darum auch nicht zu kümmern. Es geht einzig und allein um mich und Stan Shaw.«
Sie blickte mich von oben bis unten an. Ich hatte wohl Gnade gefunden, denn sie nickte jetzt und erklärte mir den Weg, wie ich zum Haus des Mannes gelangte.
»Sie müssen den Nebeneingang nehmen, nicht den, der zum Geschäft gehört. Seine Wohnung befindet sich in der letzten Etage. Die liegt direkt unter dem Dach.«
»Danke.«
Ich stieg wieder in meinen Rover. Ich hätte auch zu Fuß gehen können, aber dafür war ich zu bequem. So harmlos die Gegend hier auch aussah, ich war trotzdem misstrauisch. Oft verbirgt sich hinter diesen und ähnlichen Fassaden das Grauen, gebildet aus Menschlichen Abgründen.
Ich fuhr mit dem Rover vor dem Haus vor. Ein Geschäft befand sich tatsächlich dort. Man konnte dort allen möglichen Kram kaufen, sogar Eis, denn das bunte Schild mit der entsprechenden Reklame stand dicht neben der Ladentür.
Als ich ausstieg und zur anderen Tür hinging, zuckten meine Augenbrauen hoch. Schon auf eine gewisse Entfernung hin war zu sehen, dass die Tür nicht geschlossen war.
Die Menschen hier kannten wohl kein Misstrauen, und mit Fremden rechneten sie erst recht nicht.
Ich betrat den Hausflur, in dem es still war. Selbst aus dem Geschäft war nichts zu hören. Der Weg war mir beschrieben worden, ich ging die Treppe hoch, die auf dem letzten Stück immer enger wurde.
Dann sah ich die ebenfalls offene Tür.
Irgendetwas war hier faul.
Das sah ich nicht, das spürte ich nur, und deshalb zog ich sicherheitshalber die Beretta…
***
Aus! Jetzt ist alles aus! dachte Stan Shaw, und das Handy rutschte ihm aus der Hand.
Er war nicht mehr in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Der Himmel hatte sich geschlossen. Dafür hatte sich die Hölle geöffnet, und die hatte einen Namen.
Sally Corner!
Sie stand da und hielt den Knüppel fest, mit dem sie den Mann niedergeschlagen hatte. Sie lächelte den
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