1285 - Das Spiel des Lebens
dem das Kodexgas aufbewahrt wurde. Wenn man sich den Handschuh überstreifte, gab er kleine Mengen des Gases von sich - genug jedoch, um das Bewußtsein eines Menschen, selbst eines mentalstabilisierten, nachhaltig zu verwirren.
Nachdem er all das erkannt hatte, war Reginald Bull zornig geworden und hatte sich geschworen, die Faust des Kriegers nie mehr überzustreifen. Er war einen Schritt weitergegangen und hatte Stalkers heimtückisches Geschenk den thermonuklearen Gluten der Sonne Cepor überantwortet. Danach hatte er viele Tage lang an Entzugserscheinungen gelitten.
Mit Hilfe des Kodexgases also beherrschten die Ewigen Krieger ihre Untergebenen.
Ohne das hinterhältige Gas würde der Kriegerkult haltlos in sich zusammenbrechen.
Wenn es irgend etwas gab, dem die Lehre vom Permanenten Konflikt ihre Existenz, ihre Langlebigkeit und ihren Einfluß auf die Völker der Mächtigkeitsballung ESTARTU verdankte, dann war es jenes Gemisch aus Peptid-Molekülen, das von den Krieger-Kultisten Estartus Atem genannt wurde. Es pflanzte die Prinzipien der Konfliktlehre ins Bewußtsein des Beeinflußten, und es machte seinen Körper abhängig von weiteren Dosen Kodexgas, die seinen Verstand im Lauf der Zeit so umformten, daß er keinen einzigen selbständigen Gedanken mehr produzieren konnte.
Reginald Bull sah seinen Weg klar vorgezeichnet. Nachdem er Stalker Permit von sich geworfen hatte, war seine Rolle als Privilegierter ohnehin beendet. Sein unerlaubtes Eindringen in die Upanishad des Nordens hatte ihn weiterhin zum Unerwünschten, zum Kodegegner gestempelt. Er würde von nun an seine Kraft und seine Initiative darauf konzentrieren, Irmina Kotschistowa bei der Herstellung des Antiserums zu helfen. Und wenn er dazu eine Fahrt in die Milchstraße unternehmen müßte: Er würde Irmina die Geräte beschaffen, die sie brauchte, um das Serum in Mengen zu produzieren.
Der Vorsatz reinigte seinen Verstand, befreite ihn von allen trüben und drückenden Gedanken, mit denen er sich bisher herumgeschlagen hatte. Er sah das Ziel vor sich.
Ruhe und Zufriedenheit breiteten sich in seiner Seele aus. Er lehnte den Kopf gegen die Wand und schlief ein.
*
Von der Kaserne waren Boten gekommen, die berichteten, daß sich dort alle Truppen in höchster Alarmbereitschaft befanden. Die Kanonen - Produkte der Technik der Alten, die nur der Herrscher selbst zu besitzen ein Recht hatte - waren mit Pulver und Geschossen vollgeladen. Wenn die Techno-Rebellen angriffen, würden sie ihr blaues Wunder erleben.
Quolar hatte sich seit langer Zeit nicht mehr sehen lassen. Targiiv ließ nach ihm suchen, aber niemand wollte den Mundschenk gesehen haben. Der Despot zweifelte keinen Augenblick daran, daß Quolar sich sofort auf den Weg gemacht hatte, die angeordneten Verhaftungen vorzunehmen. Der Mundschenk war treu. Auf ihn konnte man sich verlassen. Wahrscheinlich war er umsichtig zu Werk gegangen, damit die Verhafteten einander nicht benachrichtigen konnten. Immerhin hätte man inzwischen schon etwas von ihm hören müssen. Als es auf Mitternacht zuging, sandte Targiiv Späher aus, die nach Quolar suchen sollten.
Er hatte seine Rüstung angelegt. Nicht, daß ihn etwa die Absicht bewegt hätte, selbst am Kampf teilzunehmen. Das überließ er den Leibgardisten. Aber wenn man ihm die Nachricht überbrachte, daß die Rebellion niedergeschlagen war, dann wollte er in den Augen der Berichterstatter dastehen wie der Kriegsherr, der er war. Sie sollten später zu sagen wissen, daß Targiiv bereit gewesen wäre, das Schwert notfalls selbst in die Hand zu nehmen.
Er trat vor den Spiegel, um sein Ebenbild zu mustern. Etwas Seltsames geschah. Er sah ein fremdes Wesen vor sich. Es trug einen Panzer aus gelblichem Metall. Auf den Schultern ruhte ein wuchtiger Helm, der anstelle eines Visiers eine von einem Gitter bedeckte Öffnung besaß. Hinter dem Gitter irrlichterten zwei grüne Punkte wie Augen; sonst war vom Gesicht des Fremden nichts zu sehen. Targiiv drehte sich ein wenig zur Seite. Da gewahrte er die Stacheln, die aus dem Rückenteil des Panzers wuchsen.
Er wußte, wo erden Fremden schon einmal gesehen hatte. Am Teich im Wald! In jener Vision, die er hatte, wenn er seinen Becher zu hastig leerte. Dieselbe Rüstung lag auf dem moosbewachsenen Felsen. Sein Blick glitt hinab zu den Beinen des Panzers. Gewiß, da war die Klappe! In seinem Wachtraum war sie geöffnet, und eine zähe, weiße Flüssigkeit quoll daraus hervor.
Gedanken gingen ihm durch
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