1288 - Das unheimliche Mädchen
gewollt?«
Gabriela zuckte mit den Schultern. »Darauf kann ich dir keine klare Antwort geben. Das ist unmöglich. Eigentlich ja, John. Ich hätte möglicherweise Spaß daran gehabt, hier eine Feuerwalze durch den Weinberg treiben zu sehen, doch das war plötzlich vorbei. Als hätte mir jemand den Befehl gegeben, diesen Wunsch zu stoppen.« Danach sprach sie mich direkt an. »Bist du das gewesen?«
»Nein!«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Komisch, ich glaube dir sogar.«
»Das ist toll.«
Sie runzelte die Brauen. Über ihre nächste Bemerkung dachte sie erst nach. »Du siehst wirklich aus, als würdest du dich darüber freuen, John.«
»Das ist auch der Fall, meine Liebe. Ich freue mich darüber. Ich habe es anscheinend geschafft, dich zurückzuholen…«
»Wieso das?« Plötzlich stand sie wieder unter Spannung.
»Ich denke, das werden wir in aller Ruhe klären. Nicht hier, sondern später.«
»Nein, nicht.« Sie fasste mich mit der linken Hand an. »Ich will noch etwas wissen.«
»Bitte.«
Gabriela strich über ihre Stirn. »Ich muss wieder von dem Exorzisten anfangen. Es kommt mir wirklich so vor, als hätte ich einen Exorzismus erlebt. So war mir.«
»Du hast dich geirrt.«
»Aber du hattest doch Gewalt über mich.«
»Nicht ich.«
Sie riss ihre Augen weit auf. »Wer dann?«
Ich griff bereits nach dem Zündschlüssel. »Das ist nicht einfach zu begreifen, Gabriela. Ich denke auch, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist.«
»Dann willst du fahren.«
»Im Kloster erwartet man uns!«
Sie presste die Lippen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Es war zu sehen, dass sie sich vor dem Kloster fürchtete, aber diese Furcht wollte ich ihr nehmen…
***
Der Bau stand wirklich in den Bergen und war von einem Kranz aus Rebstöcken umgeben. Der Wein rankte auch an den Außenmauern in die Höhe, die das eigentliche Kloster schützten, aber Platz genug für einen Zugang oder eine Zufahrt gelassen hatten, durch die ich den Fiat lenkte und zunächst einmal große Augen bekam, als ich an der linken Seite einen Teich entdeckte, auf dem Schwäne schwammen, die hin und wieder gegen Blätter stießen, die sich auf den Wellen an der Oberfläche schaukelnd bewegten.
Auf dem Grundstück standen auch Obstbäume, die leer gepflückt waren. Die Äpfel und Birnen hatte man geerntet. Nur in den Spitzen weit oben hingen noch einige Früchte.
Ich ging davon aus, dass es auch einen Klostergarten gab, aber der lag sicherlich hinter dem Bau aus grauen Steinen, der mich an die romanischen Kirchen in unserem Land erinnerte.
Die Sonne stand noch voll im herrlichen Blau des Himmels. Es war recht warm geworden. Da erschien es normal, dass wir einige der Nonnen im Freien sahen. In ihren Kutten sahen sie aus wie düstere Geister, die über den Rasen huschten, doch die weißen, wie Flügel abstehenden Hauben machten den ersten Eindruck wieder wett.
»Nun?«
Gabriela hatte meine Frage gehört. Sie gab erst Antwort, als das Knirschen des Kieses unter den Reifen aufgehört hatte und ich den Fiat anhielt.
»Es sieht alles normal aus, John.«
»Aber?«
»Ich weiß nicht. Ich kenne mich da nicht so aus. Obwohl ich wieder die Schatten sehe, die mir nicht unbekannt sind. Ich habe sie ja schon öfter erlebt, als ich… nun ja, als ich in dieses verdammte Waisenhaus gesteckt wurde. Da war auch alles so dunkel. Wie eben hier. Verstehst du das, John?«
»In etwa schon. Du hast etwas gegen diese nicht sehr freundlichen Bauten.«
»Genau das ist es.«
»Keine Sorge«, munterte ich sie auf. »Du wirst nicht lange dort bleiben. Ich denke, dass wir es bald hinter uns haben.«
»Wie lange schätzt du denn, dass ich…«
»Die nächste Nacht bestimmt.«
Sie schwieg und schloss die Augen.
»Komm, lass uns aussteigen.«
»Moment noch«, flüsterte sie. »Was hast du denn genau mit mir vor? Das will ich wissen.«
Ich rechnete damit, dass sie so viel Vertrauen zu mir gefasst hatte, um die Wahrheit zu hören. »Das kann ich dir sagen. Ich möchte dein Geheimnis kennen lernen. Ich will wissen, wie es kommt, dass dieses Feuer in dir steckt. Nicht mehr und nicht weniger. Um das herauszufinden, brauchen wir wirklich Ruhe.«
»Das verstehe ich allmählich, John. Aber warum ist dir mein Schicksal so wichtig?«
»Weil du möglicherweise eine Gefahr bildest. Da bin ich ganz ehrlich. Es hängt mit dem Feuer zusammen. Das können wir beide nicht leugnen, Gabriela.«
Für einen Moment sah sie aus, als wollte sie
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