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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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mal jung gewesen, was ?«
    Schwester Monika, die ein ganz ungewöhnlich braves, ordentliches kleines Mädchen gewesen war, kam sich vor, als hätte sie ebenfalls eine rabaukenhafte Vergangenheit hinter sich und dabei einen großen Sack voll Erfahrung gesammelt, den sie nun, unter Don Chaussees Anleitung, mit Schwung und blitzenden Augen zu verwerten gedachte. »Natürlich«, sagte sie begeistert, »die kriegen wir hin !« Und Gerdas durchdringendes Wehgeheul schien ihnen beiden gar kein unpassender Punkt unter diesen Pakt zu sein.
    Mit hereinbrechender Nacht wurde es windiger. Die Blätter der Kastanien raschelten trocken. Don Chaussee, der wie jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Zeitlang am offenen Fenster des Gästezimmers stand, dachte: Man riecht förmlich, wie sie gelber werden. Sehen konnte er nichts. Es war Neumond und finster. So sog er nur die volle, bedrängte Luft des Oktobers ein, mit dem Hauch der gilbenden Blätter. Die Luft nach Gerüchen abzuschmecken war noch so eine Gewohnheit aus den vielen Nächten unter freiem Himmel; und der Geruch dieser Herbstnacht erinnerte ihn an die Unruhe, die ihn um diese Zeit stets ergriffen hatte, an das Gefühl des Verlorenseins, der Heimatlosigkeit. Immer war es der Herbst gewesen, der ihn rastlos umhertrieb, die warmen, regenschweren Böen, die lodernden Farben, die Ernten, die er für Fremde erntete.
    Im leichten, gleichmäßigen Einatmen der feuchten Luft stellte er fest, daß alle diese Ängste ihn hier nicht mehr quälten. In fremden Gärten hatte er gegraben und war weitergezogen; auf fremden Feldern hatte er gesät und war fortgegangen; und geerntet hatte er, wo er nie zuvor gewesen war. Jetzt würde er bleiben. Martha, Herr Ess, die Frage nach der Beschäftigung, die ihm ein Bleiben ermöglichte, alles das versank vor der fraglosen Gewißheit, daß er bleiben würde. Wie wäre es sonst möglich, daß er im Herbst so gelassen war, daß nichts an ihm zerrte?
    Die Kinder hielten ihn. Fremde Kinder, und doch dachte er nun mit leisem Grauen an die langen Jahre ohne sie zurück. Und auch das Grauen verging. Nur die Gewißheit blieb, daß er nie mehr wandern mußte.
    Leise beugte er sich hinaus, um die Windriegel vor die offenen Laden zu schieben, ehe er sich niederlegte. Er brauchte so viel Luft, wie er nur bekommen konnte, und manchmal hätte er sich am liebsten unter einem Baum in seine Decken eingerollt zum Schlafen. Mitten in der Bewegung hielt er inne, lauschte. Ein Ton, anders als die Geräusche der Nacht, hatte sein scharfes Ohr getroffen. Es war wieder still. Der Wind rieb die Blätter sacht aneinander. Eine Täuschung also? Nein, er hatte das gedämpfte Klappen eines Ladens gegen die Holzwand des Hauses gehört, und zwar von rechts, von der Rückseite, von den Kinderschlafzimmern her. Der Wind war nicht stärker geworden und der Aufschlag zu schwach, um überhaupt von einem Windstoß verursacht zu sein.
    Was war da los?
    Mit gespannten Sinnen horchte er in die Finsternis hinaus. Den ganzen Tag über war er von irgend etwas leicht beunruhigt gewesen, und sein Instinkt brachte nun dieses eine kurze Klappen sofort damit zusammen. Leise schwang er sich über die niedrige Brüstung nach draußen und schob, mit der Hand rasch und sicher die Mauer abtastend, den kleinen eisernen Riegel vor den Laden, ehe er mit ein paar geräuschlosen Sätzen zur Hausecke sprang. Keine fünf Sekunden waren seitdem vergangen; Denken und Handeln waren in solchen Fällen längst eins bei ihm.
    Nichts regte sich. Über seinem Kopf raschelten die großen Fächerblätter der Kastanien im Wind. Er hielt den Atem an.
    Da — ein Schatten. Eine Gestalt, mehr spürbar als sichtbar, löste sich von der Wand vorm Jungenschlafzimmer und huschte quer über den Weg auf die Pumpe zu, keinen halben Meter entfernt von der Stelle, an der er sich eng gegen die Hauswand drückte. Er hätte sie halten können, ließ sie aber laufen, ohne nachzudenken, einfach der Eingebung vertrauend. Nicht das Brechen eines trockenen Halms verriet ihn, als er die Verfolgung aufnahm.
    Vorn aber knackten Äste; ein unterdrückter Laut, halb Unwillen, halb Erschrecken, drang zu ihm, als ein Stiefel den Haufen Birkenknüppel vor dem Schuppen in Bewegung brachte. Don Chaussee schmunzelte in der Dunkelheit. Ein sehr geübter Nachtvogel war das nicht gerade. Seine erregte Spannung lockerte sich, machte der Neugierde Platz. Die Finsternis kümmerte ihn nicht sonderlich; sein Körper bewegte sich mit achtloser Behendigkeit,

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