1303 - Blut für das Disco-Trio
erleben. Das sagen alle, die sie gesehen haben.«
Johnny winkte uns beiden zu, dann zog er sich zurück. Wir hörten noch, dass er mit seiner Mutter sprach. Mich interessierte das nicht weiter, denn in meinem Kopf arbeitete es.
Ich hatte schon den Eindruck gehabt, für einen Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren, denn als der Begriff Hot Spots gefallen war, da fiel mir wieder ein Satz ein.
»Ich werde dein Blut trinken, du Schweinehund!« Diese Drohung hatte Don Corelli gehört.
Plötzlich gefiel mir der Abend gar nicht mehr so gut…
***
Irgendwie musste Bill mein Verhalten bemerkt haben und natürlich auch mein Schweigen. Ich war aus der Nähe des Kamins weggegangen und drehte ihm den Rücken zu. Mein Blick war gegen die große Scheibe gerichtet. Dahinter lag der Garten in tiefer Dunkelheit. Bill hatte nur wenige Lampen eingeschaltet. Sie streuten ihr Licht über den winterlichen Rasen hinweg und berührten auch an einigen Stellen ein paar kleine graue Schneeinseln. Manche Büsche hatten einen bleichen Glanz erhalten, sodass sie mehr aussahen wie Knochenstücke.
Ich sah dies zwar, doch ich nahm es nicht richtig wahr, weil sich meine Gedanken auf einer anderen Ebene bewegten. Was ich von Johnny gehört hatte, wollte mir nicht aus dem Kopf. Es bestand zwar keine unmittelbare Gefahr, aber mein Gefühl sagte mir, dass sich schon etwas zusammenbraute.
Bill trat neben mich und tippte mir auf die Schulter.
»He, was hast du?«
»Ich denke nach.«
»Über Johnny?«
»Ja, auch über ihn.«
Bill musste lachen. Nur gelang ihm das nicht so besonders. Es hörte sich schon komisch an. »Was hast du denn für ein Problem mit meinem Junior?«
»Dass er in die Disco geht.«
»Unsinn, John. Das tun viele.«
»Weiß ich auch. Nur geht er in eine bestimmte Disco, in der auch eine bestimmte Gruppe auftritt, die Hot Spots.«
»Genau. Das hat er uns gesagt. Darf ich fragen, was du gegen die drei jungen Frauen hast?«
Ich schob meine Hände in die Taschen und drehte mich so um, dass ich ihn anschauen konnte. Eine direkte Antwort auf seine Frage erhielt Bill nicht. Ich sagte nur: »Weißt du eigentlich, weshalb ich heute Abend zu spät gekommen bin?«
»Nein. Irgendwas Dienstliches, nehme ich an. Schlimm kann es nicht gewesen sein, denn du bist ja noch gekommen.«
»Okay, dann erzähle ich es dir.«
Der Reporter lachte wieder etwas verlegen. »Sollen wir uns nicht setzen und dabei ein Wässerchen trinken?«
»Setzen schon, trinken nicht.«
»He, was hast du?«
Meine Haltung im Sessel war nicht eben entspannt, als ich Bill direkt anschaute. Auch mein Gesicht blieb ernst, was sich ebenfalls auf die Stimme übertrug.
»Ich habe am heutigen Abend Besuch bekommen. Und zwar von Richter Don Corelli.«
»Alle Achtung. Warum?«
»Den Grund werde ich dir jetzt nennen…«
Bill stellte mir keine Zwischenfragen, als ich von meinem Gespräch mit dem Richter erzählte. Die Drohung wiederholte ich mehrmals, und sie blieb auch zwischen uns hängen.
»Das ist es also«, flüsterte Bill.
»Genau. Wer droht schon einem Richter an, dessen Blut trinken zu wollen?«
»Ein Scherzbold?«
»Nein, nein, nein.« Ich sprach heftig dagegen. »Das ist kein Scherzbold gewesen. Das auf keinen Fall. Und der Richter hat es auch nicht als Scherz aufgefasst. Dann wäre er nicht zu mir gekommen, um sich Rat zu holen.«
»Wer eine derartige Drohung ausstößt, kann nur ein Vampir gewesen sein. In diesem Fall eine Vampirin. Eine Frau, die Anastasia heißt, die von Corelli wegen Dealens in den Knast geschickt wurde und wohl ausgebrochen ist, um sich zu rächen. Zudem spielt sie in der Gruppe Hot Spots mit, eben dieser Band, die sich Johnny heute Nacht in der Halle anhören will. Da kommen wirklich einige Dinge zusammen, die mir nicht gefallen.«
Auch Bill hatte seine gute Laune verloren. Er atmete tief durch, nickte schließlich und meinte: »Du gehst also davon aus, dass in dieser Gruppe eine Blutsaugerin mitspielt. Etwas anderes ist nach diesen Aussagen ja nicht möglich.«
»Ich befürchte es.«
»Einfach so?«
»Muss ich dir noch sagen, wozu Vampire fähig sind? Sie hängen nicht nur in alten Grüften herum. Sie haben sich teilweise der Zeit angepasst. Wie oft haben wir das schon erlebt, und wenn wir mal weiterdenken und uns vorstellen, was ein Vampir oder was auch mehrere dieser Wiedergänger in einer prall mit Menschen gefüllten Disco anrichten können, kann man nur eine Gänsehaut bekommen.« Ich zuckte die Achseln.
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