1303 - Blut für das Disco-Trio
den Spiegeln sehen konnten. Doch das Wichtigste war es nicht.
Vor einem der Spiegel zog sich soeben an einem Schminktisch ein ziemlich kompakter Mann, der einen schwarzen Anzug trug, stöhnend in die Höhe. Er hätte jetzt im Spiegel auftauchen müssen.
Genau das war nicht der Fall. Zwar blieb er nicht völlig verschwunden, aber wir bekamen nur einen schwachen Umriss zu Gesicht.
Uns beiden war klar, was das bedeutete.
Der Mann war ein Vampir!
***
Bill und ich warfen uns einen raschen Blick zu. Es brauchte keiner ein Wort zu sagen, wir verstanden uns auch so. Aber wir verhielten uns nach wie vor ruhig, denn der Mann – es war sicherlich Murray Kane – hatte uns noch nicht gesehen.
Er nahm das an der Wand angebrachte Brett als Stütze. Auf ihm standen noch einige Schminkutensilien, aber es war auch eine dünne Staubschicht zu sehen.
Ich holte mit einer gelassenen Bewegung mein Kreuz hervor, und Bill griff zur Beretta.
Wir blieben auch weiterhin nahe der Tür stehen, ohne uns zu bewegen. Über unsere Lippen drang kein Wort, und selbst den Atem hielten wir an.
Der Mann stand jetzt. Noch immer sahen wir nur seinen Rücken.
Das Jackett wurde durch Falten zerknittert. Aus dem Kragen hervor schaute der mächtige Stiernacken. Das dunkle Haar wuchs kurz auf seinem quadratisch aussehenden Kopf.
Ich sprach ihn an. »Mr. Kane…?«
Er hatte meine leise Stimme gehört, denn er war für einen winzigen Augenblick zusammengezuckt. Noch tat er nichts, stützte sich weiter ab und drehte sich dann mit einer sehr trägen und langsamen Bewegung um.
Wir verfolgten ihn genau. Nur wenn wir ihn von vorn sahen, würden wir unseren Verdacht bestätigt bekommen.
Sein Gesicht war natürlich das eines Menschen. Doch auf seinen Zügen malte sich die Qual ab, unter der er zu leiden hatte. Wichtig allerdings war sein Hals. An beiden Seiten sahen wir die Wunden und auch die sich darum verteilenden roten Flecken. Da war Blut aus den Wunden gequollen und nicht abgewischt worden. Wer diese Person angefallen hatte, war von einer wilden Gier getrieben worden. Wir konnten uns leicht ausrechnen, dass sein Blut nicht nur von einem Vampir getrunken worden war.
Die Augen hielt er offen.
Er stierte uns an.
Sein Gesicht zuckte. Er öffnete den Mund. Noch waren seine Zähne nicht zu sehen, dafür blutunterlaufene Augen, in denen sich ein Muster aus roten Äderchen abzeichnete.
Er stöhnte zwar, aber er atmete nicht. Das wiederum gehörte zu seinem Image als Blutsauger, und es gehörte auch dazu, dass er sich satt trinken würde und musste. Denn schon beim Erwachen war diese Gier zu spüren. Sie würde bleiben, so lange wie er sich als ein Blutsauger bewegte.
»Soll ich schießen, John?«
»Nein, nein, noch nicht. Und wenn, dann nehme ich das Kreuz. Hier werden keine Kugeln verschwendet.«
»Schade. Es wird mal wieder Zeit, dass ich einen Dämon zur Hölle schicke.«
»Bitte.« Ich reichte ihm mein Kreuz, und Bill war so überrascht, dass ihm die Worte fehlten.
»Stark, John, wirklich stark.« Er lachte laut auf. »Jetzt kann er kommen.« Zugleich schob der Reporter seine rechte Hand mit dem Kreuz vor. Der Vampir sollte es sehen. Er sah es auch.
Er winkelte den rechten Arm ab, riss ihn hoch und deckte damit einen Teil seines Gesichts ab. Den Mund allerdings sahen wir, und der war weit geöffnet.
Er hatte sich noch nicht so stark verwandelt, als dass ihm dabei zwei lange Blutzähne gewachsen wären. So etwas dauerte immer seine Zeit, aber er war bereits kein Mensch mehr. Der Keim steckte in ihm, und er fürchtete sich vor dem Kreuz.
Mehr Beweise brauchten wir nicht. Es lief in diesen Momenten für uns alles rund.
Als Bill vorging und das Kreuz noch mehr in seine Nähe brachte, brüllte er so laut auf, dass ich rasch die noch offen stehende Tür schloss. Wir waren allein mit ihm, und Bill Conolly zog es durch. Er trieb den Wiedergänger mit meinem Kreuz in die Enge. Die Gestalt rutschte an der Brettkante entlang nach links. Sie hielt dabei die Augen weit aufgerissen. Der starre Blick war ins Leere gerichtet. Da gab es wirklich nichts, was auf einen menschlichen Rest hingedeutet hätte.
Allein der Anblick des Kreuzes saugte die Kraft aus dem Körper und schwächte ihn. Noch bewegte er sich weiter, doch seine Beine gaben immer mehr nach.
Dann knickte er zusammen. Er versuchte noch, sich an der Kante festzuhalten, aber seine Hand rutschte ab.
Bill stand vor ihm.
Er bückte sich und sprach die folgenden Worte dabei flüsternd aus. »Es
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