1308 - Tödliche Schwingen
diese Geschwindigkeit auch einen kleinen Vorsprung erhalten. Maxine hing unter Carlotta, und so konnte sich das Vogelmädchen in der Umgebung umschauen, auch wenn der Flugwind dabei störte.
Alles passierte innerhalb weniger Sekunden. Sie fühlte sich wie in der Kabine eines rasenden Fahrstuhls und hatte den Knopf noch nicht gefunden, mit dem sie ihn stoppen konnte.
Dafür erschien der Schatten!
Leider war es kein normaler Schatten. Wie ein Rochen, der seine Wasserwelt verlassen hatte, schwebte die mächtige Gestalt des Vogels näher. Sie kam von oben. Sie flog in einem schrägen Winkel heran. Der Adler war schnell, verdammt schnell sogar. Seine Beute befand sich noch zu weit über dem Boden. Carlotta konnte es einfach nicht riskieren, ihre Ziehmutter loszulassen.
Dann war er da!
Carlotta hörte noch das Rauschen der Schwingen und auch Maxines Schrei. Wie ein mächtiger Fels prallte die Gestalt gegen sie und brachte sie aus der Richtung. Der weitere Fall schien gestoppt zu werden, aber das stimmte nicht, denn Carlotta fiel mit ihrer Beute weiterhin dem Boden entgegen.
Der zweite Angriff!
»Halte dich fest!«, brüllte das Vogelmädchen. Genau da war der Adler wieder da.
Er hackte zu.
Der Schnabel war wie ein Messer. Er traf nicht Maxine, sondern das Vogelmädchen an der Schulter. Der Stoff riss auf. Ebenso ein Stück Haut. Zurück blieb eine blutende Wunde. Den Schmerz spürte Carlotta so gut wie nicht. Ihr Sinnen und Trachten war eine sichere Landung, die beide überlebten.
Der Adler war kurz zurückgewichen. Er startete einen zweiten Angriff. Genau da flog auch Carlotta. Zum ersten Mal seit ihrem Fall aus dem Horst breitete sie die Flügel aus. Es war gut, dass sie es tat, denn beide hatten sich dem Boden schon gefährlich genähert.
Sie flog zur Seite.
Und damit hatte sie auch den Adler überrascht, denn sein nächster Angriff ging ins Leere.
»Wir schaffen es!«, schrie sie und sah den Boden in einem schrägen Winkel auf sich zukommen. Von unten hörte sie den Schrei eines Mannes und glaubte, die Stimme ihres Freundes John Sinclair zu erkennen. Genau da war es an der Zeit, Maxine loszulassen. Es wurde keine weiche Landung, wie sie es sich gewünscht hatte.
Die Tierärztin fiel vielleicht einen Meter tief. Sie prallte auf, sie bewegte ihre Beine, lief noch einige Schritte über den unebenen Boden weiter und brach dann zusammen.
Sie blieb auf dem Bauch liegen. Ein Hund bellte. Eine Männergestalt bewegte sich, während Carlotta noch über dem Erdboden schwebte.
Und dann war wieder der verdammte Adler bei ihr!
***
Ich schrie!
Das hatte ich einfach tun müssen, denn was ich über mir in der Luft erlebte, das war mir noch nie zuvor in meinem Leben passiert.
Vogel, Mensch und Vogelmensch. Eine Verfolgung, ein Kampf. Verrückter konnte das Leben nicht sein.
Aber ich hatte nicht geschrien, weil über mir gekämpft wurde.
Mir ging es darum, meiner eigenen Hilflosigkeit freie Bahn zu verschaffen. Möglicherweise gab mir der Schrei wieder ein wenig Mut.
Maxine und Carlotta flohen vor dem Adler. Was oben auf dem Felsen passiert war, hatte ich nicht mitbekommen, aber ich sah es als einen Vorteil an, dass es meine Freunde geschafft hatten, der ersten großen Gefahr zu entkommen.
Der Adler gab nicht auf.
Er verfolgte und erreichte sie und griff sie dicht über dem Boden an. Leider waren sie noch zu weit entfernt, um sich fallen lassen zu können. Ich war zusammen mit Eden in die Richtung gelaufen und hatte auch meine Beretta gezogen. Ich brauchte ein gutes Ziel, denn die Kugeln sollten auf keinen Fall meine Freunde treffen.
Carlotta wehrte den Angriff ab, obwohl sie von einem Schnabelhieb getroffen worden war.
Ich brüllte ihnen etwas zu, was ich selbst nicht richtig verstand.
Carlotta reagierte perfekt. Sie flog tiefer, und dieses Mal bewegte sie ihre Flügel. Sie ließ sich nicht mehr fallen und wollte jetzt mit aller Kraft für eine glatte Landung sorgen.
Beinahe hätte es geklappt. Zwar ließ sie Maxine los, die ihren Aufprall auch gut abfing, aber nach einigen Schritten zusammenbrach und ein Ziel für Eden war.
Ich suchte noch immer das Ziel. Ich wollte den perfekten Treffer landen, aber es ging nicht, denn Carlotta huschte von mir weg.
Warum sie das tat, wusste ich nicht, und sie schaute auch nicht in die Höhe, sonst hätte sie den Adler gesehen.
Er hatte eine Kurve geflogen, war hochgestiegen und griff jetzt blitzschnell an.
Seine beiden Krallen hatte er ausgestreckt. Er hackte sie in
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