1323 - Vampir-Monster
zu?«
»Klar.«
»Du lügst. Mit deinen Gedanken bist du ganz woanders. Das sehe ich dir an.«
»Na ja, ich konzentriere mich.« Johnny trank einen Schluck Kaffee, der nicht so gut schmeckte wie der bei seiner Mutter.
»Die Vögel, wie?« Hado hob den Blick. An seiner Unterlippe klebte noch Soße, die er wegwischte.
»Genau die.«
»Hör doch auf damit. Die gehören hier in die Gegend, und damit hat es sich. Im Tower findest du auch die Raben. So lange sie noch dort sind, wird England nicht untergehen. Hier sind es eben andere. Du kommst aus der Großstadt und kannst nicht alles kennen.«
»Solche bestimmt nicht.«
Quentin winkte ab und trank Bier. Für ihn war das Thema erledigt. Er hatte keine Lust mehr, sich noch weiterhin darüber auszulassen.
Auch Johnny aß weiter. Er konnte Hado verstehen. An seiner Stelle wäre es ihm nicht anders ergangen. Er bemühte sich jetzt auch, weniger aus dem Fenster zu schauen und konzentrierte sich auf das Essen.
Der Schatten war kaum zu sehen, so schnell huschte er außen an der Scheibe vorüber. Trotzdem drehte Johnny den Kopf, sah aber nichts mehr. Bis er in die Höhe schielte.
Da war er wieder!
Er schwebte in Dachhöhe. Johnny sah ihn genauer, weil er fast in der Luft stand. Den anderen Gästen war er nicht aufgefallen, nur Hado war durch Johnnys starre Haltung aufmerksam geworden. Er wollte eine Frage stellen, überlegte es sich anders und blickte dorthin, wo auch Johnny hinschaute.
»Nein«, sagte er leise.
»Wieso?«
»Das ist wirklich kein Vogel. Kein richtiger, meine ich. Der ist grauenhaft.«
»Er sieht mehr aus wie eine Fledermaus.«
»Da kannst du Recht haben.«
Das Tier schwebte in der Luft. Beide Freunde sahen, dass es seinen Kopf von einer Seite zur anderen hin bewegte. Es war hell genug, um erkennen zu können, dass dieser Kopf kein normaler Vogel- und auch kein Fledermausschädel war. Er besaß zwar nach oben stehende Ohren, ansonsten war er mehr eine kompakte Masse.
»Was sagst du, Johnny?«
Der Angesprochene hob die Schultern. Das war keine Schau.
Johnny fühlte sich tatsächlich überfragt. Er wusste nicht, was er noch glauben oder denken sollte. Es gab ja nicht nur den einen, sondern ein halbes Dutzend. Und wer wusste schon, welche Vögel noch in anderen Verstecken lauerten?
Er flog wieder.
Blitzschnell war er. Jagte in einem schrägen Winkel nach unten – und prallte gegen die Scheibe. Im letzten Augenblick hatte er seinen Flug abgestoppt, sonst hätte er sich womöglich verletzt. Die Scheibe war nicht zerstört worden, auch nicht beschädigt, aber das Geräusch des Aufpralls hatte die beiden Freunde schon zurückzucken lassen.
Es war nicht laut gewesen. Das Tier musste alles genau getimt haben, und jetzt zog es sich auch nicht zurück, sondern blieb nahe der Scheibe in der Luft stehen, wobei es die Schwingen nur leicht bewegte.
Nein, das war kein Vogel. Das war auch keine normale Fledermaus. Das war eine Mutation. Ein Monster. Johnny brauchte nur in das Gesicht zu sehen, das für ihn keines war, sondern mehr eine widerliche Fratze mit einem breiten Maul, in dem Zähne wie Nägel wuchsen.
Sekundenlang gab sich das Wesen den Blicken der beiden hin.
Dann stieg es nach oben und war weg.
Der Anblick hatte auch Hado die Sprache verschlagen. Das kam bei ihm nicht oft vor. Er saß auf seinem Platz und bekam den Mund nicht mehr zu. Auch seine Augen wollten sich nicht schließen.
Johnny hatte einen derartigen Ausdruck bei ihm noch nicht gesehen.
»Das war kein Witz.«
Hado nickte. »Ich weiß«, hauchte er.
»Wir sind auch nicht in einem Film – oder?«
»Nein.«
»Und es wird auch keiner hier gedreht?«
»Auch nicht.«
»Scheiße, was ist das dann?«
Er hatte laut gesprochen. An einem Tisch drehten sich die Gäste um und warfen den beiden missbilligende Blicke zu.
»Ich weiß es nicht.«
Hado schob seinen Teller zur Seite. »Die wollte zu uns, Johnny. Diese komische Flugente hat genau das Fenster angeflogen, hinter dem wir sitzen. Die wusste Bescheid. Die hat sich das Ziel verdammt gut ausgesucht, sage ich dir.«
»Kann sein, muss aber nicht.«
»Doch, doch, das ist es. Und das ist nur passiert, weil du bei mir bist, Johnny. Wir wissen doch alle, dass dein Leben nicht so normal verlaufen ist, auch wenn du nicht darüber sprichst. Oft genug stand etwas in der Zeitung, in dem dein Vater drin hing. Und das waren keine normalen Fälle. Außerdem ist dein Vater oft mit diesem Sinclair zusammen. Das muss auch ein ziemlich komischer
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