1327 - Lady Sarahs Totenfrau
etwas niedergelegt, und das war Frost. Eine Schicht, die aus zahlreichen kleinen Partikeln bestand. Da schien eine winzige Hand Eiskörner über sie ausgestreut zu haben, die jetzt an der Haut festklebten.
»John, sie ist wirklich präpariert worden.«
»Das sehe ich auch«, flüsterte ich zurück. »Aber warum hat man das getan?«
»Weiß ich nicht. Es kann als Vorbereitung dienen. Eben für die Zeit nachher.«
»Stimmt…«
»Sollen wir etwas tun?«
Ich wusste keine Antwort. Es drängte mich, die Haut der Toten anzufassen. Ich tippte mit der Spitze des rechten Zeigefingers dagegen und zog den Finger danach sofort wieder zurück.
Etwas blieb an der Kuppe kleben. Es war kalt und auch zäh.
Ich zeigte es Suko.
»Was könnte das sein?«
»Kein Eis«, meinte Suko.
»So sehe ich das auch, obwohl es kalt ist. Dabei sogar klebrig. Mir ist ein Verdacht gekommen.«
»Welcher?«
»Das könnte – aber lege mich nicht darauf fest – Ektoplasma sein. Kaltes Ektoplasma.«
»Der Stoff, aus dem die Geister sind.«
Wir verstanden uns. Aber wir wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten.
Schließlich traf ich eine Entscheidung. »Ich denke nicht, dass eine Totenwache nötig ist, Suko. Ich denke, dass wir erst bei der Beerdigung eingreifen sollten.«
Er sah mich für einen Moment nachdenklich an, bis er dann nickte. »Ja, das sehe ich ebenfalls so.«
Nach einem letzten Blick auf unsere tote Freundin drehten wir uns wieder um. Jetzt, wo das Unheimliche nicht mehr präsent war, spürte ich schon den Druck im Magen, der sich wieder hoch bis zur Kehle zog. Wenn ich ehrlich war, dann fürchtete ich mich vor der Beerdigung am nächsten Tag.
Mr. Markham war auch noch da. Wir fanden ihn kurz vor dem Ausgang im Gespräch mit einem älteren Ehepaar. Die Frau hatte verweinte Augen. Markham entschuldigte sich und kam zu uns.
»Ist alles in Ordnung mit der Verstorbenen?«
»Ja.«
»Haben Sie den Sarg wieder zugedeckt und…«
»Nein, das haben wir nicht«, sagte Suko. »Das ist Ihre Aufgabe. Sie können den Sarg jetzt normal verschließen.«
»Danke, das werden wir.«
Danach hielt uns nichts mehr in diesem Bau, der auch schon von außen einen traurigen Eindruck machte.
»Wohin jetzt?«, fragte Suko.
»Zuerst mal was trinken.«
»Okay. Und dann?«
»Wir fahren zum Büro. Ich denke, dass wir den anderen Bescheid geben müssen. Das sind wir ihnen schuldig.«
»Ich habe nichts dagegen.«
Zuerst mal aber brauchte ich was zu trinken. Lokale gab es in der Nähe. Sogar eines am Ende der Seitenstraße, in der das Institut lag.
Es war ein Pub, zu dem ein Hof gehörte, in dem die Gäste sitzen konnten. Bei diesem schwülen Wetter entschieden wir uns für einen Platz im Freien.
Unter einem Ahornbaum verteilten sich drei Tische. Davor standen leichte Plastikstühle, auf denen wir Platz nahmen.
Eine ältere Frau, die recht müde aussah, erkundigte sich nach unseren Wünschen.
Wir bestellten beide Mineralwasser. Sie brachte uns das Gewünschte.
»Willst du Jane informieren?«, fragte Suko.
»Genau das hatte ich vor.«
Die Detektivin wartete auf unseren Anruf. Wir hatten es ihr versprochen.
Außerdem war sie diejenige gewesen, der die ungewöhnlichen Geister zuerst erschienen waren.
»Genau, John«, sagte sie mit leiser Stimme. »Genau so habe ich sie auch erlebt. Die Kühle, diese andere Kälte und…«
»Aber sie haben deine Haut nicht berührt und dort kleine Eiskrumen hinterlassen.«
»Nein, das ist nicht passiert.«
Jane sprach die gleiche Vermutung aus, die ich hatte. Dass man die Tote für den Reigen der geisterhaften Begleiterinnen vorbereitet hatte.
»Und Lysana habt ihr nicht gesehen?«, fragte Jane noch.
»Nein, das haben wir nicht. Das ist dir vorbehalten geblieben.«
»Keine Sorge«, erklärte Jane. »Wir werden sie noch allesamt zu Gesicht bekommen.«
Dieser Ansicht war ich auch. Allerdings würden wir noch bis zur Beerdigung warten müssen.
Wir sprachen auch darüber und festigten noch mal den Plan, uns vor der Leichenhalle zu treffen.
»Weißt du was, John«, sagte Jane mit sehr leiser Stimme. »Das wird einer der schlimmsten Tage in meinem Leben werden.«
»Das glaube ich dir aufs Wort…«
***
Wolken! Dicht, grau und tief lagen sie über der Stadt. Hinzu kam die Schwüle, die von keinem frischen Windstoß vertrieben wurde.
Das richtige Wetter für eine Beerdigung!
Lady Sarah Goldwyn sollte auf einem kleinen Friedhof in Mayfair bestattet werden. Den Ort hatte sie sich schon zu Lebzeiten
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